Das Jammern der Alteigentümer

Ein Rechtsstaat ist für zurückgekehrte Exil-Nicaraguaner ein Staat, der ihnen die während der sandinistischen Revolution verlorenen Besitztümer zurückgibt  ■ Aus Managua Toni Keppeler

„Mit fünfhundert Dollar in der Tasche bin ich mit meiner Familie aus den Staaten zurückgekommen“, erzählt Mario Maltéz. „Die ersten Monate haben wir Hunger gelitten.“ Man glaubt es dem Mann kaum, so kompakt, wie er da sitzt. Ein volles rundes Gesicht, ein sauber gestutzter Sozialdemokraten- Bart und ein paar fesche graue Strähnen im glänzend schwarzen Haar. Die Klimaanlage surrt leise vor sich hin. Artig bringt die Sekretärin Kaffee. 25 Beschäftigte hat Maltéz' Firma, und im Hof steht ein weinroter 300er Mercedes. „Das alles habe ich mit Gottes Hilfe und meiner Hände Arbeit erreicht.“

Vor knapp sieben Jahren kam Maltéz aus dem Exil zurück nach Nicaragua. „Mit der Hilfe der Regierung und der Banken“ hat er seinen lithographischen Betrieb aufgebaut. Er druckt vor allem Staatsanleihen und Wertpapiere.

Eigentlich könnte er zufrieden sein. Aber er ist verbittert. Was ihm fehlt zu seinem Glück, ist das Haus seiner Eltern. Knapp tausend Quadratmeter Wohnfläche und zwei Schwimmbäder. Das aber gehört seit 18 Jahren Sergio Ramirez, dem bekannten Schriftsteller und ehemaligen sandinistischen Vizepräsidenten.

Ende April konnte Maltéz der Versuchung nicht mehr widerstehen. Er drang zusammen mit seinen drei Geschwistern in das Anwesen ein und besetzte das Haus. Doch die Polizei warf die vier nach drei Stunden wieder hinaus.

Die Geschichte von Maltéz gleicht der von vielen Nicaraguanern, die während der Regierungszeit der Sandinisten (1979 bis 1990) ins Exil gingen – bevorzugt in die USA. Und die, als die Sandinisten abgewählt worden waren, mit großen Hoffnungen zurückkehrten.

Der 42jährige war kein Scherge des gestürzten Diktators Somoza, der nach dem Sieg der Revolution Hals über Kopf das Land verlassen hat. Nicht einmal mit der im Norden operierenden Söldnergruppe der Contras hatte er etwas zu tun. Seine Kontakte gingen nach Costa Rica, zur konterrevolutionären Truppe des abtrünnigen sandinistischen Comandante Edén Pastora. Ein paarmal habe er die antisandinistischen Kämpfer im südlichen Nachbarland besucht.

Deshalb und „weil ich ein paar Witze über die Sandinisten gerissen habe“, sei er politsch verfolgt und mehrmals verhaftet worden. 1987 fühlte er sich so bedroht, daß er mit Frau und vier Kindern nach New Orleans ins Exil ging. Das Haus seines Vaters hatte die Familie damals schon längst verloren. Es war 1978 als Bürgschaft für einen Kredit an eine Bank gegangen. Der Kredit wurde nie zurückbezahlt, die Bank unter den Sandinisten verstaatlicht. Von dieser Bank hat Sergio Ramirez das Haus 1980 bekommen – zu einem Schleuderpreis, versteht sich.

Doch damals war Grundbesitz in Nicaragua wenig wert. Erst 1990, als die Sandinisten die Präsidentschaftswahl verloren hatten, explodierten die Boden- und Immobilienpreise. Vor allem deshalb will Maltéz wie die meisten Rückkehrer aus dem Exil die einst verlorenen Güter wieder zurückhaben.

Die US-Regierung unterstützt die Rückkehrer, wenn sie Besitzansprüche geltend machen. Sie war in den achtziger Jahren großzügig mit der Vergabe der Staatsbürgerschaft an Exil-Nicaraguaner. Jetzt geht es für sie um das Privateigentum von US-Bürgern. Die Rückgabe damals verlorener Güter, sagt Lino Gutiérrez, US-Botschafter in Managua, „muß sich deutlich beschleunigen“.

Diese Aufforderung ist eine Drohung. Nach US-Gesetzgebung darf die Regierung keine Finanzhilfe an Länder vergeben, in denen Eigentumsklagen von US-Bürgern anhängig sind. Aufgrund einer Ausnahmeregelung bekommt Nicaragua trotzdem Geld aus dem Norden.

Allerdings: Präsident Bill Clinton muß Jahr für Jahr darüber entscheiden, ob dieser Ausnahmezustand verlängert wird. Anfang Juli steht die nächste Überprüfung an. Und Botschafter Gutiérrez sagt klipp und klar: „Wir werden nicht zufrieden sein, bevor nicht auch der letzte Fall gelöst wurde.“

Rund 2.000 solcher Fälle wurden inzwischen erledigt. Knapp 1.000 sind noch ungelöst. Die Altbesitzer wollen entweder ihre Güter zurück oder aber von den Neubesitzern entschädigt werden – nach heutigen Marktpreisen.

Ramirez macht da nicht mit. Schließlich hat er das Haus schon einmal bezahlt. Zugegeben: Heute könnte er mehr als das Zehnfache des damaligen Preises verlangen.

Um den seit 1991 andauernden Streit mit den Geschwistern Maltéz zu beenden, hat der ehemalige Vizepräsident das Anwesen 1995 einer staatlichen Kinder- und Familienstiftung als Schenkung angeboten. Doch die damalige Regierung unter Violeta Chamorro lehnte die Offerte ab. Schließlich hätte sie dann die Altbesitzer und die von ihnen beauftragten sieben Rechtsanwälte am Hals gehabt.

Heute ärgert sich Maltéz darüber, daß es damals nicht zu der Schenkung gekommen ist. Denn der heutige Präsident Arnoldo Alemán reagierte auf den Wink mit dem Zaunpfahl von seiten des US-Botschafters prompt: „Wir werden dafür sorgen, daß alle fraglichen Güter, die im Besitz des Staates sind, sofort zurückgegeben werden.“ Für Privatbesitz aber gilt der Rechtsweg.

Alemán hat diese Prozedur zu Jahresbeginn erheblich gestrafft, und so ist Maltéz guter Hoffnung, bis Ende des Jahres sein Elternhaus beziehen zu können. Nur ein Hindernis sieht er noch: Nicaragua sei noch immer kein Rechtsstaat. „Ein Drittel aller Richter sind noch immer Sandinisten. Und ein weiteres Drittel ist korrupt. Man muß diese faulen Hände abschlagen“, analysiert Maltéz. Wenn Alemán das Justizsystem nicht völlig umkremple und den Schutz des Eigentums garantiere, „dann können wir nur auf Gott vertrauen und nicht auf die Gerichte“.