Verkäuferinnen stimmen über Streik ab

■ HBV macht Druck bei Tarifverhandlungen im Einzelhandel

In den Tarifverhandlungen für die 30.000 Beschäftigten des Bremer Einzelhandels erhöhen die Gewerkschaften den Druck: Die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) hat für heute zu Urabstimmungen über einen Streik aufgerufen. Nach Angaben von HBV-Sekretär Heiner Schilling sollen insgesamt 500 Mitarbeiter von Brinkmann, Leffers und Interspar über einen Arbeitskampf entscheiden.

Nach drei Verhandlungsrunden bieten die Arbeitgeber 1,3 Prozent mehr Lohn für die zehn Monate ab Juli. Für Mai und Juni wollen sie pauschal je 50 Mark zahlen. HBV und die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) fordern fünf Prozent mehr Geld.

Norbert Caeser, Viertel-Einzelhändler und Verhandlungsführer der Arbeitgeber, hält mehr als die angebotene Lohnerhöhung für „faktisch nicht darstellbar“. Die Gewerkschaft könne sich nicht an den höheren Tarifabschlüssen anderer Branchen orientieren. „Jeder zehntel Prozentpunkt über der Leistungsfähigkeit der Betriebe kostet Arbeitsplätze“, warnt Caesar. Nach gestern veröffentlichen Daten des Statistischen Bundesamtes gingen die Umsätze im April bundesweit um real zwei Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zurück.

„Jammern ist das Lied der Händler“, kommentiert HBV-Mann Schilling und verweist auf die Dividenden der großen Handelskonzerne. Besonders ärgert die Gewerkschafter, daß die Arbeitgeber in ihrem Forderungskatalog tiefe Einschnitte bei der Vergütung künftiger Auszubildender verlangen. Außerdem wollen sie eine neue unterste Lohngruppe mit einem Verdienst von 2.000 Mark brutto einführen. „Tütenpacker, wo leben wir denn“, empört sich Schilling.

Die Arbeitgeber beschwören besonders die dramatische Lage der kleinen Geschäfte, die nicht wie die Großen höhere Lohnkosten durch Personalabbau abfangen könnten. Auch dieses Argument läßt Schilling nicht gelten. Im vergangenen Jahr hatte man für einen Sondertarifvertrag ausgehandelt: Betriebe mit weniger als 20 Beschäftigten können in einer Notlage ein Jahr lang unter Tarif bezahlen. Aber kein Händler hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, wie auch Wolfgang Brakhane vom Einzelhandelsverband bestätigt.

Ob es in Bremen zum Streik kommt, wird sich der Erfahrung nach in anderen Tarifbezirken entscheiden. Wenn es in Hessen oder im Saarland eine Einigung gibt, dürften die Bremer dieses Pilotergebnis übernehmen. Am Montag wird weiter verhandelt. jof