SFB guckt in die Gebührenröhre

■ Rundfunkgebühren ade: Weil immer mehr Menschen ins Umland abwandern, fehlen dem SFB bis Ende 2000 rund 50 Millionen Mark

Dem finanzschwachen Sender Freies Berlin (SFB) brechen Einnahmen in Millionenhöhe weg. Grund sind die aus der Stadt ins Umland abwandernden Menschen. Sie zahlen ihre Rundfunkgebühren nicht mehr an den SFB, sondern an den ORB. SFB-Verwaltungsdirektor Dirk-Jens Rennefeld bestätigte gestern gegenüber der taz, daß sein Sender für die Zeit von 1997 bis Ende des Jahres 2000 mit fast 50 Millionen Mark weniger rechnet, als bisher kalkuliert waren. „Das ist ein Riesenloch“, sagte er. Die großen Verluste seien so nicht vorhersehbar gewesen.

Vor allem junge Familien wandern nach den Worten des Verwaltungschefs „in den Speckgürtel“ um Berlin ab, aber auch Unternehmen mit Autoradios in ihren Firmenfahrzeugen. Ein weiterer Grund für die Verluste sei die hohe Zahl von Arbeitslosen, die keine Gebühren bezahlen müssen. Zudem kündigten viele Menschen kurzerhand den Dauerauftrag über die Rundfunkgebühren.

Dieses Jahr wollte der SFB laut Rennefeld eigentlich 341 Millionen Mark Gebühren einnehmen. Nach neuen Berechnungen seien es aber 10 Millionen weniger. Laut einer Vorlage für Rundfunk- und Verwaltungsrat kommen 1999 gut 14 und 2000 gut 19 Millionen Mark weniger in die Kasse als noch vor einem Jahr erwartet. Zum Vergleich: Ein öffentlich-rechtliches Radioprogramm kostet zwischen 7 und 10 Millionen Mark.

SFB-Intendant Horst Schättle hatte den Rundfunk- und Verwaltungsrat bereits am 5. Juni über die „Gebührenmindereinnahmen“ informiert. Die neuen Berechnungen gehen von Wanderungsverlusten von 30.000 Einwohnern pro Jahr aus.

„Diese Entwicklung trifft den SFB unerwartet“, teilte der Intendant den Räten mit. Die Abwanderung werde „nur bedingt“ durch den Zuzug von Mitarbeitern von Behörden und Verbänden ausgeglichen.

Schättle darf sich nun überlegen, wie er ohne die Millionen klarkommt. In Rundfunkratskreisen ist bisher nur unkonkret davon die Rede, der Sender müsse „Investitionen strecken“. Verwaltungsdirektor Rennefeld sagte, es müßten wohl noch mehr Stellen abgebaut und die Produktion noch billiger gemacht werden.

Der SFB kann schon bisher von Gebühren- und Werbeeinahmen nicht leben. Pro Jahr erhält er 10 Millionen aus dem ARD-internen Finanzausgleich von großen Sendern, rund 12 Millionen überweist der MDR nach Berlin. Jedoch erklärte die ARD kürzlich, jeder Sender solle sich künftig „weitgehend“ eigenständig finanzieren.

Rainer Konrad, Chef der unabhängigen Gebührenkommission KEF, die den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten ermittelt, sagte gestern, er könne dem SFB nicht helfen. Schließlich ermittle die KEF nur, wieviel Geld alle ARD-Sender insgesamt brauchen. Strukturunterschiede müsse der Senderverbund selber ausgleichen, sagte Konrad. „Was naheliegt, ist die Frage, ob SFB und ORB sich nicht etwas einfallen lassen“.

Über eine Fusion von ORB und SFB wird schon lange diskutiert. Zuletzt erklärte die ARD, ein solcher Schritt biete sich an. Dagegen lehnt vor allem die Berliner CDU einen gemeinsamen Sender von Berlin und Brandenburg strikt ab. Georg Löwisch