■ Zensur in Sri Lanka
: Lauter leere Spalten

Die Regierung von Sri Lanka hat eine Pressezensur eingerichtet, die einem Berichtsverbot gleichkommt. Jede Veröffentlichung über militärische Operationen zwischen Regierung und der tamilischen Rebellenorganisation LTTE ist seit zehn Tagen verboten. Gleichzeitig wird eine Zensurstelle eingerichtet, der Berichte vorgelegt werden müssen. Einige Zeitungen erschienen schon mit leeren Spalten – die verwirrten Leser mußten sich mit den lapidaren Hinweisen „Zensiert!“ oder „Eliminiert!“ zufriedengeben. Schon vor der neuen Zensurinitiative waren die Hindernisse für eine freie Berichterstattung in Sri Lanka ungewöhnlich hoch. So ist es für Journalisten fast unmöglich, ins militärische Operationsgebiet zu gelangen. Die Veröffentlichung militärisch relevanter Informationen in der Presse wird streng geahndet. Zudem wurden Journalisten – auch ausländische – beschattet, wenn sie verdächtigt wurden, im Kontakt mit der LTTE zu stehen.

Die nochmals verschärfte Zensur zeigt die Frustration der Präsidentin Chandrika Kumaratunga. Einerseits hat sie kaum Fortschritte dabei erzielt, die Verfassung föderaler zu gestalten. Dafür glaubte sie die Mehrheitsgemeinschaft der Singhalesen schon gewonnen zu haben. Doch eine Bombe, die im Januar in Kandy den wichtigsten Tempel des singhalesischen Buddhismus teilweise zerstörte, fegte auch den Konsens für eine weitgehende Autonomie der Tamilen hinweg. Noch frustrierender für die Präsidentin ist ihre militärische Lage. Die Armee hat ihre Schlagkraft zwar erhöht, ist aber zu schwach, um ein so großes Operationsgebiet gegen die LTTE-Rebellen dauerhaft abzusichern. Einen empfindlichen Rückschlag erlitt die Regierung zudem in ihren Bemühungen, in Jaffna nach der militärischen Eroberung von 1995 das Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen: Die neugewählte Bürgermeisterin von Jaffna und ein Brigadier, der ebenfalls Protagonist vertrauensbildender Maßnahmen war, wurden Mitte Mai ermordet. Von der schwierigen Situation im Land will die Präsidentin offenbar nichts in den Zeitungen lesen: Für schlechte Nachrichten büßen in Sri Lanka die Überbringer.Bernard Imhasly