Gerichtsstatut mit Hintertürchen

■ Bonn fordert für ein internationales Strafgericht Unabhängigkeit und klare Statuten. Bremserländer wie China und Pakistan spielen nicht mit

Rom (taz) – Vor der Konferenz zur Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Rom bekräftigte Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig gestern die Forderungen der Bundesregierung nach einem „starken und unabhängigem ICC“ mit einem „Statut ohne Hintertüren und Vorbehalte“. Eine deutlich entgegengesetzte Position vertraten die Delegationschefs Chinas, Pakistans, Sudans, Indonesiens und Algeriens. Auch von der für heute vorgesehenen Rede der USA werden Forderungen zur Einschränkung von Unabhängigkeit und Kompetenzen eines ICC erwartet.

Hingegen formulierten die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, sowie eine Reihe von regierungsunabhängigen Organisationen Erwartungen an das ICC-Statut, die zum Teil über die von Deutschland und bislang 47 gleichgesinnten Staaten vertretene Haltung hinausgehen.

Der künftige ICC müsse die „universale Zuständigkeit für die Kernverbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen“ erhalten, „einschließlich der Kriegsverbrechen in internen Konflikten“, erklärte Schmidt-Jortzig. Darüber hinaus setze sich Bonn dafür ein, den Angriffskrieg in die Liste der Kernverbrechen aufzunehmen.

Diese Position wird bislang noch nicht einmal von allen EU- Staaten geteilt. Ein „unabhängiger Ankläger“ mit dem Recht, eigenständig Ermittlungsverfahren einzuleiten, sei für die Bundesregierung ebenso unverzichtbar wie die „strikte und vorbehaltlose Verpflichtung aller Staaten zur Zusammenarbeit“ mit dem ICC, unterstrich der Bundesjustizminister. Es könne „keinen Kompromiß geben, der dazu führt, daß ein Staat es sich selbst aussuchen darf, wann er sich und seine Staatsangehörigen dem Recht unterwirft, und wann er sich darüber hinwegsetzt“.

Chinas Delegationschef Wang Guangya verlangte hingegen, der ICC dürfe „nur dann ein Verfahren eröffnen“, wenn die Regierung der davon betroffenen Person(en) ausdrücklich ihre Zustimmung erteilt hat. Im Statut müsse sichergestellt werden, daß der ICC sich „weder in die inneren Angelegenheiten“ einzelner Staaten noch in Zuständigkeiten des UNO-Sicherheitsrates einmischt“.

In der Frage, ob der Ankläger eigenständig Ermittlungen einleiten könne, sei „größte Vorsicht geboten“. Als Bedingung für die Annahme und Inkraftsetzung eines ICC-Statuts verlangte der chinesische Delegationschef den „Konsens“ der an den Verhandlungen beteiligten Staaten „statt einer Mehrheitsentscheidung“. Ähnlich argumentierten die Vertreter Pakistans, Algeriens, Indonesiens und des Sudan.

Von der heutigen Rede der USA werden ebenfalls Forderungen zur Unterordnung des ICC unter den Sicherheitsrat und zur Einschränkung der Befugnisse des Anklägers erwartet. In Anspielung auf die Position Washingtons erklärte Schmidt-Jortzig, der „Souveränität von Staaten“ sei „besser gedient durch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit als durch den zum Scheitern verurteilten Versuch, sich isoliert zu behaupten“.

UNO-Hochkommissarin Robinson verlangte, „Vergewaltigung“ als Kriegsverbrechen ausdrücklich in das Statut aufzunehmen und die Anklagekammer des ICC zur Anstellung von „RechtsberaterInnen und MitarbeiterInnen mit Erfahrung auf dem Gebiet sexueller Gewalt und Gewalt gegen Kinder“ zu verpflichten. Zudem solle die Möglichkeit von Reparationszahlungen für überlebende Opfer oder die Hinterbliebenen im Statut verankert werden. Ähnliche Forderungen wurden auch von „Terre des hommes“, amnesty international und der Gesellschaft für bedrohte Völker erhoben. „Terre des hommes“ setzt sich zudem dafür ein, im Statut die Rekrutierung von Minderjährigen zum Kriegsdienst als Verbrechen aufzunehmen. Andreas Zumach