Kosovo-Diplomatie: Jelzin und Milošević spielen auf Zeit

■ Die Präsidenten von Rußland und Jugoslawien versuchen ein militärisches Eingreifen der Nato im Kosovo mit einer gemeinsamen Erklärung abzuwenden

Moskau (taz) – Erfolge zelebriert Rußlands Präsident Boris Jelzin gewöhnlich nicht zurückhaltend. Auch kleinere Errungenschaften reichen ihm schon, um laut die Trommel zu rühren. Ob sein gestriges Gespräch mit dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević über eine Beilegung der Krise im Kosovo als Erfolg gewertet werden kann, blieb bis zum Abend unklar. Agenturberichten zufolge haben sich beide Präsidenten auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt, nach der Milošević bereit sein soll, einige Forderungen der Balkan-Kontaktgruppe zu erfüllen. Dazu gehören unter anderem der Abzug der jugoslawischen Armee, der ungehinderte Zugang für internationale Beobachter und humanitäre Organisationen, die Einstellung von Gewalt gegen die Bevölkerung, die ungehinderte Rückkehr der Flüchtlinge und die Teilnahme eines internationalen Vermittlers an Verhandlungen.

In der gestern in Moskau veröffentlichten Erklärung heißt es dazu, „Jugoslawien verpflichtet sich, die Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung nicht fortzuführen und die Freizügigkeit auf seinem Gebiet zu gewährleisten“. Die Verhandlungen mit der politischen Führung der Kosovo-Albaner sollten sofort wieder aufgenommen werden. Dabei solle es auch um den Status der Provinz gehen. Nach dem Treffen erklärte Milošević allerdings, es gebe „keinen Grund für die jugoslawische Armee“, sich aus dem Kosovo zurückzuziehen.

„Im Prinzip, glaube ich, haben wir uns geeinigt“, sagte ein angespannter Boris Jelzin nach dem Gespräch. „Am wichtigsten ist, daß Milošević zugestimmt hat, sich mit den Kosovo-Albanern an den Verhandlungstisch zu setzen. Wir müssen der ganzen Welt zeigen, auf wieviel wir uns haben einigen können und daß es davon kein Zurück mehr gibt“, meinte der Kreml- Chef, ohne eine Miene zu verziehen.

Selbstverständlich hat Boris Jelzin nicht vergessen, wie oft ihn der Belgrader Kollege im vorausgegangenen Krieg in Jugoslawien auflaufen ließ. Das hielt den Präsidenten aber nicht davon ab, die besondere Verbundenheit der beiden slawischen Staaten noch einmal zu betonen.

Nach dem Spitzentreffen setzten die Verteidigungs- und Außenminister beider Länder die Verhandlungen fort. Westliche Amtskollegen hatten Boris Jelzin in der vergangene Woche gebeten, bei Slobodan Milošević noch einen letzten Vorstoß zu unternehmen. Im Westen hält sich hartnäckig die Überzeugung, der russische Präsident verfüge im Umgang mit dem Serben über bessere Hebel.

Auch die Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) nannte gestern erstmals Bedingungen für die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit den Serben. Der Sprecher der UCK, Jakup Krasniqi, sagte im albanischen Fernsehen, „alle feindlichen Kräfte aus dem Kosovo“ müßten zurückgezogen werden, die Gespräche sollten gründlich vorbereitet werden und unter internationaler Vermittlung stattfinden. Unterdessen laufen nach Aussagen des deutschen Botschafters bei den Vereinten Nationen, Antonius Eitel, die Vorbereitungen für einen UN-Beschluß zum Eingreifen der Staatengemeinschaft im Kosovo auf Hochtouren. Klaus-Helge Donath

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