Im Guten wie im Bösen

■ Der ausgesprochen freundliche Gilberto Gil führt seinen sophisticated Tropen-Funk vielleicht zum letzten Mal auf

Daß jemand beim Thema Brasilien derzeit nur an Ronaldo, Rivaldo und Roberto Carlos denkt – verständlich. Doch auch in der Popmusik ist das Land Weltspitze, und Gilberto Gils Auftritt in der Fabrik wird das hoffentlich ein weiteres Mal unter Beweis stellen. So ganz sicher kann man sich bei ihm ja nie sein – Gil ist ein ausgesprochen freundlicher Mensch, und er weiß, daß sein Publikum Ballermann-kompatible Mitgröl-Refrains liebt.

Hinzu kommt jene unbegreifliche Liebe zu Pop-Reggae (Jimmy Cliff gilt in Brasilien als großer Mann!), die in der dortigen Musiklandschaft weitverbreitet ist und schon viel Schaden angerichtet hat. Wenn man Pech hat, verliert er sich also in einer gut halbstündigen Version von „No Woman, No Cry“ inklusive ausgedehntem Baßsolo, die in ein dreiviertelstündiges „Tudo menina Baiana“ mit allen erdenklichen Formen der crowd participation mündet.

An einem guten Abend holt er diese bedürfnisbefriedigenden Hits jedoch erst ganz am Ende hervor und verwöhnt uns vorher mit melancholischen Balladen, sophisticated Tropen-Funk und den vielen guten Songs seiner gelungenen 97er Platte Quanta. Leider wurde Quanta in Europa bisher nur in gekürzter Form veröffentlicht – das brasilianische Original ist eine Doppel-CD und enthält rund ein Dutzend Songs mehr. Wenn wir sehr viel Glück haben, gönnt er uns auch noch ein kleines Choro-Set, für den sein exzellenter Schlagzeuger Jorginho Gomes sein Bandolim, eine brasilianische Mandoline, auspackt und Gitarrist Luiz Brasil die Schweinerock-Riffs vergißt. Man sollte das Konzert jedoch so oder so nicht verpassen, denn Gil hat angekündigt, in Zukunft kürzer zu treten und wahrscheinlich nur noch in Brasilien zu touren.

Natürlich spielt auch die WM bei ihm eine große Rolle: Ihr zu Ehren schrieb er den Song „Balé da Bola“, und wer ihn sich nicht von Gils Website (www.gilbertolgil.com.br) herunterladen kann, der darf immerhin hoffen, daß er ihn am Freitag in der Fabrik zum besten gibt.

Detlef Diederichsen Fr, 19. Juni, 21 Uhr, Fabrik