Neues vom Mikrokosmos

■ Auf der Actuator 98 im Messe Centrum Bremen wird gezeigt, was die Welt bewegt

Einst dachte man nach über den unbewegten Beweger. Irgendwas muß das Universum mit seinem Geziefer doch auf die lustigkrummen Wege gebracht haben, hatten die Physiker gedacht. Inzwischen aber ist die Welt so schnell geworden, daß die menschlichen Sensorien sie nur noch als Stillstand wahrnehmen. Die Physiker haben längst von ihrem unbewegten Beweger gelassen und implantieren lieber viele unsichtbare Beweger in Rotorblätter, Betonwände und unter Menschenhäute.

Mikromotoren, die unsere Biomasse durcheinanderwirbeln und unsere Moleküle zu neuen gewagten Kombinationen verknüpfen. Scheren, Federn, elastische Drähte, die sich durch die Venen bahnen und auf ihrem Weg zum menschlichen Herzen nur millimetergroße Narben an der Fassade des integralen Gesamtkunstwerks Mensch hinterlassen. Pfeilschnelle Mikrospiegel – Zeilenablenkspiegel genannt – die dafür sorgen, daß wir statt unzähliger Laserstrahlen ein Fernsehbild sehen.

Und die Windmühlenflügel der Hubschrauber werden wir in Kürze wohl nicht mal mehr hören dürfen. „Das Bapbapbapbapbap“, sagt Hubert Borgmann, wissenschaftlicher Chairman der Actuator 98 im Messe Centrum Bremen, das würde jetzt um die Hälfte gedämpft. Mittels eines Aktuators, der in den Rotorblättern angebracht ist und ihre Winkel je nach Umdrehung verändert. In schweigender Erhabenheit werden also in Zukunft die Kampfhubschrauber in die Dörfer einfliegen können – und die Kinder werden nicht einmal mehr Zeit haben, aus den Häusern zu stürzen und freudig zu winken.

Aktuatoren heißen diese vibrierenden Agenten des Unbeweglichen, die dem Menschen seine körperliche Integrität bewahren und den Maschinen ihre phänomenale Schweigsamkeit. Zur Bremer Fachkonferenz immerhin haben sie in dieser Woche – vom 17. bis zum 19. Juni – zum nunmehr sechsten Mal rund 300 Forscher und Anwender zusammengerufen. Aber auch das sieht man kaum. Ausgestorben sind die weiten Räume und Gänge des Messe Centrums, denn was sind schon 300 people über drei Tage verteilt in diesen hohen Hallen. Weiße Stellwände mit häßlichen Farben auf verschwindenden Plakaten mühen sich, Blickschluchten zu verhindern und verstärken doch nur den Eindruck: Was immer auch passiert, hier passiert es bestimmt nicht. Doch das mag täuschen. Denn immerhin ist der Mikrosensorenmarkt ein Milliardengeschäft und durchzieht von der Medizin über Luft- und Autofahrt bis zur Datenverarbeitung unsere Lebenswelt. 30 Milliarden Mark Umsatz im Jahr 2000 errechnen sich die Fachleute. Nur sehen kann man die genausowenig wie die Aktuatoren.

Vor zehn Jahren begann die Epoche der neuen Aktuatoren, die auf mikroelektronischer Ebene agieren. Doch noch ist auf dem Gebiet jener kleinen Beweger, die zwischen den Sensoren und der Elektronik die eigentliche Schwerstarbeit des Regelns und der Feineinstellung leisten, manche Forscherfrage offen. „Die aktorischen Elemente sind am wenigsten weit entwickelt“, sagt Eckardt Quandt, Materialforscher aus Karlsruhe. Eine kleine Pumpe mehr immerhin, die anders als ihre traditionellen Vorgänger gerade mal einen Zentimeter groß und ohne jeden Reibungsverlust funktioniert, hat er jetzt wieder anzubieten auf der Bremer Messe. Die wird zusammen mit einem Insulinreservoir unter die sieben Hautschichten des Menschen gesetzt und kann mit einem simplen Magneten von außen in Aktion versetzt werden. Magnetostriktion heißt das: Mittels Unter- und Überdruck wird dann der Medikamentenfluß im Körper geregelt – sowas braucht man nicht sehen. ritz