Singen als Performance

■ Gelungen: Katharina Rikus und Hugo Noth spielten in der HfK

Wie unverzichtbar eigentlich die Zusammenstellung von Konzertprogrammen ist, fällt in der Regel erst auf, wenn einmal ein richtig gutes erlebt wird. Anders kann man das Konzert der Mezzosopranistin Katharina Rikus und des Akkordeonisten Hugo Noth am Dienstag in der Hochschule für Musik nicht kommentieren. In den Mittelpunkt stellten die beiden Künstler Klaus Hubers „Ein Hauch von Unzeit IV“, das den Untertitel „Klage über den Verlust der musikalischen Reflexion“ trägt und in verschiedenen Fassungen existiert. Katharina Rikus fand einen bewegenden Reichtum von Klangfarben für diese in sich gekehrte Klage, die sie mit gutem Grund direkt in die Interpretation des Todes der Dido aus Henry Purcells „Dido und Aenaeas“ überführte. Denn Huber nimmt die Chaconne aus Purcells genialer Oper auf, und das eindringliche und unvergleichlich komponierte „Remember me!“ der Purcell'schen Dido bedeutete Lebensreflexion.

An den Anfang und an das Ende des Programmes setzten die Künstler Stücke, die eine originelle Besonderheit von Rikus' Singen erfaßten: schön, gar lieblich, ist ihre Stimme weniger, dafür kräftig, auch grell und hart, wenn's sein muß. Und sie ist vor allem eingebunden in eine präsente Art, die einer Performance gleichkommt. So bot die in Bremen lebende Schweizer Sängerin mit vier „Rrrrr ...“-Stücken von Mauricio Kagel ein komisch-theatralisches Potential, das unverwechselbar und eigen ist. Kagel, der Komponist der komischen und ironischen Reflexion über unser Musikleben, hat diese 41 Stücke für alle möglichen Besetzungen über Begriffe mit dem Anfangsbuchstaben R geschrieben, Rikus und Noth wählten mit „Revolution Speach“, „Rural Blue“, „Rappresentazione Sacra“ und „Railroad Song“ vier höchst gegensätzliche aus. Das war gekonnt gemacht und das programmatische Pendant zu vier französischen Chansons. Die szenischen Akzente, die Rikus hier mit Mimik, Haltung und Bewegung setzte, waren dezent und goldrichtig, keineswegs eine Selbstverständlichkeit, wenn man an vergleichbare Über- oder Untertreibungen denkt. Hugo Noth war mit seinem Instrument hier besonders in seinem Element – der Montmartre schien nahe.

Die „Siete Canciones popolares Españolas“ von Manuel de Falla in ihren raffinierten Rhythmen und Rubati stattete Rikus mit reizvollen Klangfarben aus, die häufig einem gutturalen Spanisch ähnelten. Darüber hinaus zeigte sie in diesem Zyklus zarte, unerwartete Legatobögen. Hugo Noth führte seinen exakt gesetzten Akkordeonpart in orchesterähnliche Klangstrukturen über. Herzlicher Beifall dankte der Lehrbeauftragten an der Musikhochschule für dieses intensive Konzert, für das „O-Ton“ und das „Atelier Neue Musik“ verantwortlich zeichneten. Ute Schalz Laurenze