Das Boot von Peter Klein

■ Berliner Zimmer, Teil 12. Eine Besuchsreihe von Falko Hennig

Mein Vater war, als ich geboren wurde, noch Matrose, Binnenschiffahrt. Da war ich sechs Wochen an Land als Baby, dann haben die mich an Deck gestellt, im Kinderwagen, im Januar. Bis ich in die Schule mußte, war ich auf dem Schiff. Ich bin Peter Klein, 36 Jahre alt, ich wohne hier auf diesem Boot seit Juni letzten Jahres. Das ist 'n 10-Meter-Stahlverdränger, 'n Holländer, 190er-Mercedesmotor, OM 6-21, hat 53 PS und 1.900 Kubik, den gab's auch als Marinemotor, und so ist der hier drinne. Eine ganz normale, durchschnittliche kleine holländische Stahlyacht. Für 'ne Yacht dieser Größe ist das eigentlich unterster Standard, das kann viel schicker sein. Aber durch den Brand ist auch viel kaputtgegangen.

Einiges hab' ich geändert. Also dahinten, wo das Schlafzimmer anfängt, da war noch 'ne Trennwand dazwischen mit 'nem Vorhang. Da war das zwar ein bißchen leiser, wenn die Maschine läuft, aber das erdrückt das Boot. Und der Bootsbaumeister in Mainz, der hat mir gesagt: „Probier mal! Reiß mal zwei, drei Bretter weg vorsichtig! Mach den Raum frei! Mach soviel auf wie möglich!“ Das Boot hat dadurch echt an Größe gewonnen. Vorher hat das da an der Fensterwand aufgehört, und da war das erdrückend klein, auch durch die dunklen Töne hier drin. Dadurch, daß es gebrannt hat, ist auch das Holz heftig nachgedunkelt. Küche ist mit Propangas, geheizt wird hier mit 'nem umgedrehten Blumentopf auf'm Gasherd. Das ist ein Tip von 'nem alten Schiffer, der sehr über mich gelacht hat, als ich gesagt hab': Ich friere. Funktioniert astrein, ist sparsam, geht echt gut.

Für die Bequemlichkeit hier gleich das Klo, das geht ins Wasser, Fäkalientank ist in Planung. Ich hab's in Zwolle gekauft, das Schiff. Weil das 'n Typ Schiff ist, was der deutsche Durchschnittsrentner mit Herz fürs Wasser gerne hätte, so mit zwei Steuerständen, Mercedes- Motor. Also nicht so aufwendig, daß ein normal arbeitender Mensch das noch unterhalten kann. Also für so 'n Schiff mußt du nicht unbedingt Zahnarzt sein, das geht auch ohne. Ich bin von Zwolle nach Amsterdam gefahren, war dann da 'ne Weile.

Das hat mich in Holland 18.000 Mark gekostet, das Schiff. An dem Morgen, als wir von Amsterdam aus losgestochen sind, hatte ich 'nen Maschinenraumbrand, sämtliche Gardinen abgebrannt, sämtliche Decken, sämtliche Polster, hier drin war alles schwarz. Das war nicht so toll, sogar gefährlich. Ich hatte nur 'ne Badehose an, als es passierte. War ein total heißer Tag. Und ich hatte am ganzen Körper keine Haare mehr. Alles weg!

Von Mainz nach Berlin, da mußt du 'n bißchen mehr rechnen als 'ne Woche. Das sind ja gute 1.000 Kilometer. Über Duisburg über die Kanäle, über Magdeburg, über die Elbe. Ich hab' ja zwischendurch noch meinen Bruder besucht, also ich hab' vier Wochen gebraucht. Meine Mutter wohnt an der Lahn in Limburg, da mußte ich von Lahnstein erst 65 Kilometer hoch, 12 Schleusen und wieder zurück. Das hat natürlich auch 'n paar Tage gekostet. Doch die hab' ich gebraucht, um mir klarzuwerden, ob ich nun wirklich nach Berlin ablege. Ich hab 'n kleinen Sohn, der ist in ein paar Tagen neun. In Wiesbaden, der ist jetzt in den Ferien bei mir. Auch ein prima Schiffer, das gibt die nächste Generation, Pepe ist einfach klasse. Mit dem kannste alleine durch Schleusen fahren und so, besser als mit jeder Landratte. Der weiß alleine, was zu tun ist. Aber der hat auch schon Blut geleckt an Berlin.

Ich bin seit drei Jahren von meiner Exfrau getrennt. Ich habe in Wiesbaden einfach nichts auf die Reihe gekriegt. Die alten Leute und so, das hat mich alles nur angenervt. Also Mainz und Wiesbaden liegen 15 Kilometer zusammen, das ist eine Stadt. Ich hatte einfach keine Lust mehr, ich war 'ne ziemliche Trantüte in Wiesbaden. Dann hat 'ne Freundin, 'ne Taxi-Kollegin, gesagt: „Hey, komm doch mal mit zur Love Parade!“ Hab' ich dann auch gemacht, sind wir im VW-Bus hergefahren, ich hatte 'n Schlauchboot mit Motor dabei. Weil ich mir dachte: Drei Tage das Programm, könnte 'n bißchen hart sein für Vatti. Und hab' dann einen ganzen Tag Berlin vom Schlauchboot aus gemacht. So 'ne Runde halt gefahren. Von Stunde zu Stunde wurde mir klarer, daß ich hier mit meinem Kahn hermußte, daß es das hier einfach ist.

Für diesen Anlegeort, da gibt's ein Amt für, und das sieht so was gar nicht gerne, was ich mache. Daß ich hier an 'nem andern Schiff mit dran liege. Weil, das sind alles genehmigte Pltze und so, das ist so 'ne Goodwill-Aktion von den Leuten hier. Ich hab' denen unentgeltlich 'n bißchen was geholfen, und eine Hand wäscht die andere.

Ich mach' alles mögliche, was mit Schiffen zu tun hat, einfach allround, meine Telefonnummer: 01724616521. „Institut für historische Schiffe und Yachten“, mit zwei, drei Kumpels. Einer davon ist Schiffbauingenieur, einer ist Bootsbauer, das geht schon. Eine angesehene Persönlichkeit dieser Stadt, da hab' ich was umgebaut, und er hat nicht bezahlt. Nicht Diepgen, der war auch schon an Bord. Wenn du so lebst wie ich, wenn du so aussiehst wie ich, wenn du die Philosophie vertrittst, die ich vertrete, da mußte damit mit umgehen können, daß manche Leute denken, sie können dich übern Löffel ziehen, weil du halt so 'n dummer durchreisender Freak wärst. Dann bleib' ich halt so lange, bis ich meine Kohle hab', ich bin da wie 'n Pitbull, ich lass' da nicht los. Da lass' ich auch nicht locker, ich werd' hier keinen Namen nennen, aber dieser Mann ist eine Ratte.