Unerlaubter Krankendatenfluß

■ Versorgungsamt verstößt gegen das Datenschutzrecht: Eine Mitarbeiterin forderte ohne gültige Schweigepflicht-Entbindung medizinische Daten eines Klienten an. Die Staatsanwaltschaft ermittelt

Ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht hat das Versorgungsamt aufgeschreckt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen eine Mitarbeiterin des Amtes, die bei einem Krankenhaus medizinische Daten eines Klienten eingeholt hat. Das Problem: Ihr fehlte eine gültige Erklärung des Patienten, in der dieser die Schweigepflicht seiner Ärzte aufgehoben hätte. Das Krankenhaus im niedersächsischen Lingen störte sich daran nicht: Der zuständige Arzt schickte die angeforderten Unterlagen nach Berlin. Der Patient, der an multipler Sklerose erkrankte Alfred Kosel, erstattete Anzeige gegen die Mitarbeiterin des Berliner Versorgungsamtes und den Arzt des Lingener Krankenhauses. Auch dort ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft.

Kosel hatte 1989 eine Aufhebung der Schweigepflicht für namentlich genannte Ärzte unterschrieben, als er beim hiesigen Versorgungsamt die Anerkennung als Schwerbehinderter beantragte. Da die Gutachter damals eine positive Entwicklung seiner Krankheit für möglich hielten, ordnete das Amt vor zwei Jahren eine Nachuntersuchung an. Um die notwendigen Unterlagen zusammenzubekommen, forderte die Sachbearbeiterin schriftlich „alle wichtigen medizinischen Unterlagen“ über Kosel an. Eine Kopie der Entbindung von der Schweigepflicht mit Kosels Unterschrift aus dem Jahre 1989 legte die Sachbearbeiterin ihrem Schreiben bei.

Doch Kosels Unterschrift war acht Jahre alt und damit längst ungültig. Denn die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erlischt – da sind sich inzwischen alle Beteiligten einig – mit dem Ende des Feststellungsverfahrens. Kosels Verfahren endete bereits 1989, als das Amt ihm seine Schwerbehinderung bescheinigte. „Die haben also meine Krankendaten ohne meine Zustimmung ausgespäht“, urteilt Kosel.

Zwar habe sich der Präsident des Landesamtes längst bei ihm entschuldigt, räumt Kosel ein. Aber der Brief reicht dem aufgebrachten Patienten nicht. Denn das Schreiben lege nahe, daß es sich bei ihm nicht um einen Einzelfall handele. In dem Brief, der der taz vorliegt, heißt es: „Unsere Mitarbeiter wurden zwischenzeitlich eindringlich darauf hingewiesen, daß die Gültigkeit der Einverständniserklärung der Antragsteller mit Abschluß des Feststellungsverfahrens endet.“

Der Leiter des Versorgungsamtes, Winfried Bruder, weist Kosels Vermutung zurück. Ihm sei klar, daß seiner Behörde ein schwerer Fehler unterlaufen ist. Nach seiner Einschätzung handele es sich dabei aber um einen „massiven Einzelfall“. „Das war schlicht und einfach ein Versehen“, glaubt Bruder. Bei 75.000 Anträgen im Jahr könne er zwar nicht ausschließen, daß dieser Fehler schon einmal begangen worden sei, aber das könne „nur in ganz seltenen Fällen passiert sein“.

Auch der zuständige Referent des hiesigen Datenschutzbeauftragten, Ulrich von Petersdorff, hält das Verhalten der Amtsmitarbeiterin für einen klaren Verstoß gegen das Datenschutzgesetz. Ob es sich hierbei um einen Einzelfall handelt, weiß von Petersdorff nicht. Auf die Beschwerde habe das Landesamt aber sehr schnell mit einer Entschuldigung reagiert und auch eine datenschutzrechtliche Belehrung der MitarbeiterInnen durchgeführt. Sabine am Orde