Sie nennen ihn Zizou

■ "Das Wichtigste ist das Leben der Gruppe": Beim Versuch, Frankreich endlich den ersten WM-Titel zu bescheren, ist Nationaltrainer Aime Jacquet vor allem abhängig von einem Spieler - Zinedine Zidane

Paris (taz) – Hin und wieder läßt es sich in diesen Tagen nicht vermeiden, daß Besucher und Einheimische kommunizieren müssen, obwohl ihnen keine gemeinsame Sprache zur Verfügung steht. Dann kann es passieren, daß der Kellner plötzlich Worte sagt wie „Klinsmaahn“. Oder „Bieröhf“. Darauf gibt es nur eine Antwort. Man muß sie geben, bis nur noch dieses Wort im Raum steht. Dann nickt der Kellner und geht beschwingt seiner Wege. Das Zauberwort heißt: Zidane.

Wenn Frankreichs Fußballer heute abend in St. Denis auf Saudi- Arabien treffen, werden wieder eine ganze Menge Leute nach Zidane (25) Ausschau halten. Man kann ihn gar nicht übersehen. Er ist der Mann am Ball.

Trainer Aimé Jacquet hat seinem Team eine extrem eng geschnürte taktische Zwangsjacke verpaßt. Herausragende Einzelkönner hatte der französische Fußball häufig, ein Team, das robust genug für den WM-Titel war, auch zu Platinis besten Zeiten nicht. „Das Wichtigste“, sagt Jacquet daher zu jeder Tages- und Nachtzeit, „ist das Leben der Gruppe.“

Das Problem ist nur: Damit sie funktioniert, braucht er ein bestimmtes Individuum – Zidane. Jeder Ball, das war beim 3:0 über die Südafrikaner zu sehen, muß zu Zidane. Dabei spielt es keine Rolle, wo der sich gerade aufhält.

Ansonsten hat Jacquet seine seit der EM unveränderte Viererabwehr mit dem extrem effektiven Desailly, dem resoluten Blanc, dem gewitzten Lizarazu und dem kraftvollen Thuram. Er hat den Kapitän Didier Deschamps, der vor der Abwehr herumwuselnd die vielen Bälle besorgt, die Zidane braucht. Jacquet hat derzeit etwas Ruhe, nachdem sein Stürmer Christophe Dugarry etwas für ihn Ungewöhnliches machte, ein Tor – natürlich auf Vorlage seines Freundes und Geschäftspartners Zidane. „Ich bin ein Vorbereiter, ich schaffe die Löcher“, sagt er zu seiner Verteidigung. Das ehrt ihn – ändert aber nichts daran, daß einer die Tore schießen muß, soll es nicht so enden wie in England. Da hatte Jacquets Team sich zu Tode organisiert – trotz Zidane.

Diesmal ist er aber entschlossen. Jedenfalls blickt er so von den Billboards auf den Betrachter herab, so als sei er eine Art Fußball-Exterminator. Dieser Entwurf Zidanes von Vertragspartner adidas wirkt wie ein Versuch, ihn bewußt gegen den komischen Nike- Helden Ronaldo zu positionieren. „Ich bin bereit“, das ist die Botschaft, die der in Marseille aufgewachsene Sohn eines algerischen Immigranten in diesen Tagen in Tausenden von Sätzen an Frankreich auszusenden hat. Daß Zidane nun freilich kein Rambo ist, der die Gegner wegräumt, erkennt man nach dem ersten Blick auf den real Existierenden. Sie nennen ihn „Zizou“. Wie das klingt. Es heißt, er sei auch so. Peter Unfried