„Sakić schoß ihm direkt ins Gesicht“

■ Der 71jährige Jude Josip Erlih hat das Todeslager Jasenovac überlebt

Belgrad (taz) – Nach über einem halben Jahrhundert soll jetzt Dinko Sakić, einem der Lagerkommandanten des KZ Jasenovac, in Kroatien der Prozeß gemacht werden. Der heute 71jährige jugoslawische Jude Josip Erlih hat Jasenovac überlebt. „Im August 1942 bin ich ins KZ Stara Gradiska verschleppt worden, von Sakić habe ich jedoch erst im Herbst 1943 gehört, als ich in Jasenovac ankam“, erzählt Erlih. In Jasenovac habe es keine Gaskammern gegeben. Beliebtes Mordwerkzeug seien „Hammer, Messer, Stangen und der Galgen“ gewesen. Auch einen Keil in den Mund eines Häftlings hineinzubohren sei eine bevorzugte Hinrichtungsmethode gewesen. Wenn neue Häftlinge eingeliefert wurden, sei es üblich gewesen, die alten, „verbrauchten“ zu töten. „Ich hatte auch Typhus, nur durch Glück“, sagt Erlih. An Sakić könne er sich gut erinnern. „Er war etwa 23 Jahre alt und sah wie ein frecher Junge aus. Man sagt, er hätte einen Schimmel geritten. Doch hinter dem jungenhaften Gesicht versteckte sich ein Scheusal.“

Wie oft Sakić Hinrichtungen selbst befohlen habe, kann Erlih nur ahnen. „Zweimal habe ich ihn in Aktion erlebt. Wenn irgend etwas Unerwünschtes im Lager geschah, hatte Sakić die Gewohnheit, alle Häftlinge antreten zu lassen. Eines Morgens befahl er, alle Juden sollten hervortreten. Dann schien es ihm, ein schmächtiger Jude würde lachen. ,Nieder auf die Knie‘, schrie er. Dann schoß er ihm zweimal in den Kopf. Sakić befahl, ein Gewehr zu holen. Wahllos wurden Namen vorgelesen und die Häftlinge hingerichtet.“

Erlih erinnert sich sehr gut an einen Tag, nachdem einige Häftlinge aus dem Lager geflüchtet waren. „Wieder wurden alle Häftlinge im Hof in Reih und Glied aufgestellt, Sakić las irgendein Urteil vor. Einer nach dem anderen wurde gehängt, bis es fast keine freien Galgen mehr gab. Der letzte war ein Doktor Milo Bosković. Bosković, ein stolzer Montenegriner, forderte Sakić auf, ihn zu erschießen, für ihn war es unwürdig, gehängt zu werden. Doktor Bosković wollte sich nicht einmal umdrehen, Sakić schoß ihm direkt ins Gesicht“, berichtet Erlih.

„Sakić war ein bestialischer Verbrecher, einen Menschen umzubringen war für ihn gar nichts. Ich glaube, er hat es sogar genossen.“ Seit fünfzig Jahren muß Erlih schon mit diesen Erinnerungen leben. Eins war für ihn stets klar: Nie wieder wollte der aus Osijek stammende Jude in Kroatien leben.

Erst vor wenigen Jahren hat Erlih gehört, daß Sakić „irgendwo in Südamerika lebt“. Daß er jetzt in Kroatien wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werden soll, raubt ihm den Schlaf. „Ich war erschüttert, als ich nach dem Krieg von Sakić gehört habe. Eine innere Erregung hat mich gepackt. Was habe ich jetzt von diesem Prozeß, wenn ein seniler Greis nach einem halben Jahrhundert verurteilt werden soll? Die Greueltaten von Jasenovac können nicht ausgelöscht werden. Mir ist es egal, was mit Sakić geschieht.“ Andrej Ivanji