Neue Säuberungswelle in der türkischen Armee

■ Der Oberste Militärrat der Türkei entläßt 167 Militärs wegen „Islamismus-Verdacht“

Istanbul (taz) – Unter Vorsitz von Ministerpräsident Mesut Yilmaz hat der Oberste Militärrat auf einer Dringlichkeitssitzung am Dienstag die Entlassung von 167 Militärangehörigen verfügt, darunter über 100 Offiziere. Ein Rekord in der Geschichte des Militärrates. Türkische Medien berichten übereinstimmend von der „größten Säuberungswelle“ innerhalb der türkischen Armee. Den entlassenen Militärangehörigen werden Sympathien für die islamistische Bewegung nachgesagt.

Gegen Verfügungen des Obersten Militärrates, dem hochrangige Generäle, der Verteidigungsminister und der Ministerpräsident angehören, kann nicht geklagt werden. Der Rat habe sich zu der Maßnahme entschieden, nachdem er die „inneren und äußeren Bedrohungen“ für den Staat geprüft habe, hieß es in einer Stellungnahme des Generalstabes.

Türkischen Medienberichten zufolge soll der Generalstabschef Ismail Hakki Karadayi auf der Sitzung des Militärrates Regierungschef Yilmaz ermahnt haben, energisch gegen die „religiöse Reaktion“ vorzugehen. Die Militärs, die im vergangenen Jahr den parlamentarischen Sturz des islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan in die Wege leiteten und ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der „fundamentalistischen Gefahr“ vorlegten, fordern repressive Gesetzespakete gegen die Islamisten. Das hat die Regierung bereits zugesagt, doch mit der Vorlage entsprechender Gesetzesentwürfe tut sie sich schwer. Insbesondere konservativ- islamische Abgeordnete der Mutterlandspartei von Ministerpräsident Yilmaz sperren sich gegen die Vorgaben.

Die Tageszeitung Hürriyet berichtete, daß die Generäle sich über Justizminister Oltan Sungurlu beklagt hätten. Sungurlus Amtsführung sei nicht von der seines Vorgängers, des Islamisten Sevket Kazan, zu unterscheiden.

Die Sitzung des Militärrates hat nicht nur Entlassungen verfügt, sondern auch durch die Rede von Generalstabschef Karadayi und „briefings“ über die „islamistische Gefahr“ Weichen gestellt. Trotz der Wahlen im nächsten Jahr sind Kurskorrekturen der Regierung nicht erwünscht. Ömer Erzeren