„Schweizer Versuch nicht kritiklos übernehmen“

■ Eduard Lintner, Drogenbeauftragter der Bundesregierung, ist weiterhin gegen die Einrichtung von Druckräumen für Fixer und will zu diesem Thema umfangreiche Gutachten anfertigen lassen

taz: Polizeipräsidenten, CDU- Politiker sowie die Präsidenten des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und der Bundesärztekammer haben sich in der taz vom 16. Juni für Druckräume und die medizinisch kontrollierte Abgabe von Heroin ausgesprochen. Wie beurteilen Sie diese Wende in der Drogenpolitik?

Eduard Lintner: Die Haltung der Bundesärztekammer ist in der Tat etwas Neues und ein bißchen überraschend – die waren ja bisher auf der anderen Seite. Mich stört dabei jedoch, daß völlig kritiklos bestimmte Zahlen aus dem Ergebnisprotokoll des Schweizer Modellversuchs verwendet worden sind, ohne daß die gravierenden Einwände von wissenschaftlicher und politischer Seite gegen die Schlußfolgerung irgendwie kommentiert worden sind. Die Bundesärztekammer hat also abgeschrieben und daraus dann die eigene Haltungsänderung abgeleitet. Das ist zuwenig für so eine wissenschaftlich hochrangige Institution.

Wie bewerten Sie die Forderung der Polizeidirektoren von Bielefeld, Hannover, Bonn und Hamburg nach einer staatlich kontrollierten Abgabe von Heroin?

Es handelt sich im wesentlichen um Polizeidirektoren aus Städten, die ein herausragendes Drogenproblem haben. Der Hilferuf dokumentiert eigentlich nur den Zustand, den man durch die eigene Politik herbeigeführt hat: Sie wissen sich nicht mehr anders zu helfen, als das irgendwie zu legalisieren. Das kann nun für diejenigen, die eine andere Art von Drogenpolitik betrieben haben und deshalb keine solchen verheerenden Verhältnisse verantworten müssen, unmöglich ein Vorbild sein.

Wie werden Sie weiter vorgehen?

Experten sollen in einem Gutachten auflisten, welche gesundheitlichen, juristischen und soziologischen Probleme mit der Einrichtung solcher Fixerstuben verbunden sind. Wir wollen eine Materialsammlung auf breitester Ebene erarbeiten lassen. Außerdem sind wir gespannt auf das Ergebnis des Musterprozesses in Hamburg – und auf die Argumente, die das Gericht verwendet. Nach dem Prozeß gibt es zwei Wege: Entweder man bleibt bei dem Angebot der Druckräume – oder man muß es ändern. Dann wird es eine neue Initiative zur Änderung geben, und dann muß man sehen, wie die Mehrheiten sind.

Stehen Sie der Einrichtung von Druckräumen weiterhin generell ablehnend gegenüber?

In einem Fixerraum bin ich natürlich am ehesten in der Lage zu intervenieren, wenn eine Krise eintritt. Aber das ist nur ein Aspekt; ich muß auch sehen, wie sich so eine Geschichte auf die Glaubwürdigkeit von Prävention des Staates auswirkt. Die Situation stellt sich im Moment aus den für uns zugänglichen Daten so dar, daß die Lage in den skandinavischen Ländern günstiger ist, in denen eine noch restriktivere Drogenpolitik gefahren wird. Interview: Cornelia Fuchs