Asylgesetz: Keine Entscheidung

FDP läßt überraschend die Abstimmung zum Asylbewerberleistungsgesetz verschieben. Fraktion ist geteilter Meinung über einen Kompromiß von Union und Liberalen  ■ Von Patrik Schwarz

Berlin (taz) – Bis gestern schien alles auf eine Konfrontation zuzulaufen. Am kommenden Freitag, so sah es die Tagesordnung für die Plenarsitzung des Bundestages vor, stand die Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes zur Entscheidung an – eine Abstimmung, deren Ausgang ähnlich ungewiß war wie einst die umstrittenen Voten über den Lauschangriff oder das Staatsangehörigkeitsrecht.

Nachdem sich am Dienstag die SPD-Bundestagsfraktion überraschend gegen die Novelle gewandt hatte, obwohl sie vom Schröder- Land Niedersachsen mitinitiiert worden war, wurde allgemein eine Lagerentscheidung erwartet: CDU und CSU dafür, SPD, PDS und Grüne dagegen – und die FDP, wie schon öfters, dazwischen.

Gestern nun gab FDP-Fraktionschef Hermann-Otto Solms bekannt, man habe eine Verschiebung der Abstimmung im Bundestag erwirkt. Während Solms vornehm von „Prüfungsbedarf“ in Einzelfragen sprach, gibt es in der Fraktion offenbar eine tiefergreifende Unschlüssigkeit, wie man sich zur geplanten Streichung von Sozialleistungen für Zehntausende von Flüchtlingen in der Bundesrepublik verhalten will.

Theoretisch ist denkbar, daß das Thema bereits auf die Tagesordnung für die Plenardebatte am Mittwoch kommender Woche gesetzt wird. Allerdings wünschen Abgeordnete wie Jürgen Möllemann und Max Stadler eine gründlichere Prüfung der neuesten Fassung des Gesetzentwurfes, die nominell ein Kompromiß der Fraktionen von CDU/CSU und FDP ist. Unübersehbar ist allerdings, daß die Fassung deutlich die Handschrift von CSU-Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer trägt.

Neben Einschränkungen beim Kreis der Betroffenen, die von Ausländerinitiativen als eher marginale Abschwächungen beurteilt werden, enthält der Seehofer-Vorschlag sogar eine zusätzliche Verschärfung: Anders als im ursprünglichen Entwurf des Bundesrates wäre künftig auch illegale Einreise ein Grund zum Ausschluß von Sozialleistungen. Eine solche Regelung widerspricht nach Ansicht des UNO-Flüchtlingswerks UNHCR klar der Genfer Flüchtlingskonvention. „Aus einem schlechten Gesetz hat man ein noch schlechteres gemacht“, kommentiert ein FDPler den Seehofer-Entwurf.

Andere Abgeordnete sehen den Kompromiß jedoch weniger kritisch oder werten ihn sogar als Erfolg der Verhandlungen mit der Union. Zumindest einige Spitzen und Schärfen seien herausgenommen worden, heißt es. Auch nach der Entscheidung, die Abstimmung zu verschieben, drängt vor allem die Fraktionsspitze um Hermann Otto Solms auf einen zügigen Abschluß der Beratungen. Sollte Solms allerdings die Bedenken der Flüchtlingsexperten unter seinen Fraktionskollegen nicht ausräumen können, droht der Partei bei der Abstimmung im Bundestag das Dilemma, das sie für kommenden Freitag verhindern konnte: die FDP in der Zerreißprobe zwischen Union und Rot- Grün.

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