Beredter Penis, brachialer Protest

■ 30 Jahre 1968: Das Internationale Hamburger Kurzfilmfestival zeigt eine Reihe mit Werken der revolutionären Väter

Warum hast du mich wachgeküßt? ist der Titel eines Kurzfilms, der in der Reihe „Bochumer Exil“ auf dem Kurzfilmfestival läuft – und hat überhaupt nichts mit Küssen zu tun. Der Dreiminüter von 1967 ist einer von zwei Filmen Hellmuth Costards, die im Zuge des 30jährigen Jubiläums der 68er jetzt in Hamburg laufen. Costard zeigt ein nacktes Mädchen, das sich selbst im Spiegel filmt und dann die laufende Kamera in einer Schublade verschwinden läßt. Dann sieht der Zuschauer nur noch schwarze Leinwand. Pech gehabt! Knallharte Verarschung des Publikums, das ganz anderes erwartet hatte.

Der zweite Film machte wohl am meisten Furore: In Besonders wertvoll antwortete der damals in Hamburg lebende Costard auf die umstrittene Novelle des Filmförderungsgesetzes mit einem sprechenden Penis in Großaufnahme. Synchron zitiert das erigierte Genital die Rede des CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Toussaint, der für die Novelle einstand, und ejakuliert schließlich auf die Kameralinse. Eine klare Aussage und ein großer Eklat auf den Oberhausener Kurzfilmtagen 1968: Der Film wurde nicht gezeigt. Aus Protest zogen viele Regisseure ihre Filme zurück und zeigten sie auf einem spontan vom Bochumer Studienkreis Film initiierten Alternativ-Festival. Daher der Name der Reihe.

Costard war Mitglied des Arbeits-kreises für Film und Fernsehen an der Uni Hamburg wie auch in der Hamburger Filmmacher Coop, in der das hanseatische Underground-Kino – von den Machern selbst „Das Andere Kino“ genannt – sich erstmals formierte und sich in den Folgejahren auf den „Hamburger Filmschauen“ präsentierte. Zu dieser 68er-Clique gehörte außerdem Bernd Upnmoor, dessen Die Anzeige in der Reihe „Anfangszeiten“ gezeigt wird. Dieser Name verweist auf einen Film von Christian Bau. Weitere Hamburger Revolutionäre von einst sind der jetzige HfbK-Professor Franz Winzentsen, Werner Nekes und seine Lebensgefährtin Dore O. – die gar keine echten Hamburger sind – und Thomas Struck.

In eine ordentlichen Retrospektive des revolutionären Zeitgeists gehören natürlich auch die Werke aus dem Umfeld der Berliner Filmakademie. Leute wie Holger Meins, Harun Farocki und Helke Sander griffen hier zum ersten Mal zur Kamera. Sander, immer noch eine der wichtigsten Frauenrechtlerinnen, ist beim Festival mit ihrem Debüt Subjektitüde vertreten. Den Ton übernahm hier übrigens der RAF-Anhänger Holger Meins.

Isabel Gentsch

„Bochumer Exil“: heute, 22.30 Uhr, B-Movie