Das Ich und sein Gehirn

■ „Wohin führt die Hirnforschung“ fragen Physiker der Uni Bremen

„Wir reden dauernd über gesellschaftliche Vorgänge, Professor Roth aber reduziert sie auf Hirnvorgänge. Merken Sie das nicht?!“

Der Erziehungswissenschaftler Freerk Huisken hatte seine Ausführungen über Vorstellungen des Bremer Verhaltensphysiologen Gerhard Roth zur „Hirnforschung“ auf den gesellschaftswissenschaftlichen Punkt gebracht. In der Vortragsreihe „Forschung mit Köpfchen – Wohin führt die Hirnforschung?“ stand damit auch der Diskussionsstoff mit Roths Kollegen fest: Die Frage nach der Unabhängigkeit der Naturwissenschaftler von soziologischen Fragen.

In seinem Oeuvre, so der Erziehungswissenschaftler Huisken, habe sich der Bremer Verhaltensphysiologe Gerhard Roth seit mindestens 15 Jahren kontinuierlich mit der Willensfreiheit beschäftigt, nicht zuletzt am Beispiel von Straftätern. „Hat er gestohlen, weil er es wollte, oder hat ihn sein Wille stehlen lassen“, so habe Roth immer wieder gefragt – wer also sei schuldig: Das Ich oder sein Gehirn? Die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung hingegen sei zurückgestellt worden: „Straffälliges Handeln muß bestraft werden, das scheint für den Hirnforscher selbstverständlich zu sein.“ Offen lasse Roth auf diese Weise, ob nun der Täter als „Ich“ mit Freiheitsentzug bestraft werden solle oder aber das Gehirn, das ihn zu seiner Tat zwinge: „Und da möchte ich lieber gar nicht weiterdenken, wie das geschehen soll.“

Initiiert haben die Veranstaltungsreihe Sven Golchert, Bernhard Stoevesandt und Guido Sieler von der Studienaktion am Fachbereich Physik. Auslöser waren für sie die Kontroversen um Affenversuche an der Bremer Uni. Heute geht es mit dem Züricher Vorsitzenden des Vereins „Ärzte gegen Tierversuche“ weiter. Nächsten Mittwoch wollen die Physiker dann mit dem Philosophen Hans-Jörg Sandkühler über Wissenschaftsethik und Forschungsplanung, am Donnerstag mit dem Behindertenpädagogen Georg Feuser über den Unterschied von Bewußtsein und Bewußtheit diskutieren. Jeweils um 17 Uhr in der Uni Bremen, Gebäude NW1, Hörsaal H3. ritz