Mit Rückenwind von links

■ Die Bundesvorsitzende der Jusos, Andrea Nahles, ist eine der Promis, die den Demonstrationsaufruf zum "Aufstehen für eine andere Politik" unterschrieben haben. "Ökologischer Umbau" gefordert

taz: Frau Nahles, den Aufruf zur Demo am Samstag haben Sie unterschrieben. Gehen Sie denn auch hin?

Andrea Nahles: Würde ich machen, wenn ich da nicht Geburtstag hätte. Den Termin halte ich mir, komme was wolle, frei.

Die Veranstalter rechnen mit 60.000 Teilnehmern. Wo sollen die denn alle herkommen?

Es gibt sehr viele Initiativen, die zugesagt haben, von Pro Asyl bis hin zu Gewerkschaften. Der Mobilisierungsschwerpunkt wird aufgrund der sozialen Probleme sicher im Osten liegen.

Erklärtes Ziel der DemonstrantInnen ist, einen Machtwechsel in Bonn herbeizuführen. Der ist doch ohnehin schon abzusehen. Wozu sollte man da noch demonstrieren gehen?

Für eine andere Politik. Auch eine neue Regierung kann die in 16 Jahren verkrusteten Strukturen ohne Rückenwind nicht aufknacken. Der politische Wechsel setzt eine gesellschaftliche Bewegung voraus.

Ein politischer Wechsel braucht aber Inhalte. Zentrale Forderungen ihres Demonstrationsaufrufs sind „Armut bekämpfen“ und „Demokratie stärken“. Das sind doch Aussagen, die jeder unterschreiben würde. Damit können Sie niemanden hinterm Ofen vorlocken.

Natürlich kann ein Aufruf nicht ein Programm im Detail ersetzen. Aber hier geht es ja um einen umfassenden Wechsel in Politik und Gesellschaft. Außerdem fordern wir in dem Aufruf eine klare Politik für Arbeitszeitverkürzung, den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft und Umverteilung von Reichtum. Das sind doch konkrete Forderungen, die Substanz haben.

Eine klare Stoßrichtung kann man da nicht rauslesen.

Die klare Stoßrichtung heißt, daß wir einen Regierungswechsel brauchen, damit wir dieser Gesellschaft einen humaneren Charakter geben können. Es geht darum, deutlich zu machen, daß es hier in einer vielfältigen und vernetzten Form andere politische Vorstellungen als die der letzten 16 Jahre gibt.

Ist eine Demonstration überhaupt das richtige Mittel, eine geistige Wende herbeizuführen?

Sie soll das anstoßen. Demonstration heißt hier, das zu präsentieren, was es an Ideen und Menschen gibt, die hinter dem Aufruf stehen. Was ich gut finde ist, daß die Parteien nicht im Vordergrund stehen.

Aber getragen wird die Veranstaltung doch von einem Parteienbündnis zwischen SPD, den Grünen und auch der PDS.

Kann es sein, daß die Veranstalter auf die Wahlkampfstrategie der CDU reinfallen?

Der versuchte Lagerwahlkampf der CDU schreckt mich wenig. Ich will einen Richtungswahlkampf, um einen Politikwechsel zu erreichen. Dazu muß man auf gesellschaftlicher Ebene auch ein Stück weit mit den Oppositionskräften zusammen agieren. Das ist genau das, was am 20. Juni laufen soll. Interview: Heike Spannagel