Die Bagger dürfen Horno begraben

■ Brandenburger Verfassungsgericht entscheidet: Die sorbische Gemeinde muß dem Braunkohleabbau weichen. Schutzrecht der sorbischen Minderheit ist nicht einklagbar. Letzte Hoffnung für Horno: Der Europäische Gerichtshof

Berlin (taz/AP/AFP/rtr) – Die Verfassungsrichter des Landes Brandenburg entschieden „schweren Herzens“, wie Gerichtspräsident Peter Macke sagte, aber sie entschieden hart: Das 652 Jahre alte Dorf Horno im Braunkohlegebiet Jänschwalde in der Lausitz darf abgebaggert werden. Das Vorhaben sei mit der Verfassung des Landes vereinbar. In dieser Verfassung ist das Recht der sorbischen Minderheit, die in Horno und Umgebung siedelt, verankert. Doch der entsprechende Paragraph stelle lediglich ein Staatsziel und kein einklagbares Grundrecht dar, argumentierten die Richter gestern. Den Bewohnern Hornos bleibt jetzt nur noch der Weg zum Europäischen Gerichtshof, um gegen ihre Umsiedlung zu klagen.

Die Brandenburger Richter zeigten erkennbar Mitgefühl und waren sich der Schwere ihres Spruches bewußt. Es gehe „um die Auflösung der Gemeinde in ihrer brutalsten Form, nämlich deren völlige physische Eliminierung“, sagte Macke, bevor sich das Gericht zur Beratung zurückzog. Die PDS-Fraktion des Landtages hatte die Normenkontrollklage eingereicht. Geprüft wurde, ob Artikel 25 der Landesverfassung, der Schutz des angestammten Siedlungsgebietes der Sorben, verletzt wird. Die Sorben hatten vor Gericht kritisiert, daß bei einer Umsiedlung ihres Dorfes ihre ethnische Identität und die dörflichen Strukturen zerbrechen würden. Sie forderten wenigstens eine Umgehung des Ortes bei der Abbagerung der Braunkohle.

Die Lausitzer Braunkohle AG lehnt diese Lösung als zu teuer ab. Die Landesregierung erinnerte daran, daß eine Fortführung des Tagebaus wirtschaftlich notwendig sei. Hätte das Gericht den Hornoern recht gegeben, hätte der Tagebau Jänschwalde geschlossen werden müssen, in dem 240 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaut werden sollen. 4.000 Menschen wären, so die Landesregierung, arbeitslos geworden.

Horno (sorbisch: Rogow) ist das wehrhafte Dorf des Ostens. 1977 hatte die SED verfügt, daß in dem Ort kein Haus mehr neugebaut werden dürfe. Offenen Widerstand sah man damals nicht; die Bewohner äußerten ihren Unwillen auf Dorfversammlungen. Zur Wendezeit formierten sie sich zu einer Bürgerinitiative, die 1990 mit zwei großen Kundgebungen auf sich aufmerksam machte. Manfred Stolpe (SPD) und Matthias Platzeck (damals Bündnis 90) protestierten mit. Beide sprachen von Heimat und Zukunft und erklärten ihren Abscheu vor einer Politik, die als Zwangsvollstreckerin der Wirtschaft fungiert.

Sechs Jahre später sahen beide Politiker zur Kohle keine Alternative. Stolpes Braunkohleplan stellte Horno dem Unternehmen Laubag voll zur Verfügung. Seit 1994 kämpft das Dorf gegen die Umsiedlungspläne der Laubag. Die Dörfler wollen nicht aufgeben. Zum Passus, der den Minderheitenschutz garantiert, vermerkt das Protokoll des Verfassungsausschusses vom 12. April 1991 eigens, „daß es hier um die Verhinderung weiterer Verluste durch den Braunkohleabbau“ gehe. Dieser Satz könne im „Sinne eines Rechtes auf Erhalt jedes Dorfes“ ausgelegt werden, fürchtete schon damals das brandenburgische Wirtschaftsministerium. roga