AKW Brokdorf legalisiert

OVG Schleswig weist Klage gegen den Betrieb des Atommeilers zurück. Kläger Hinrichsen will jetzt vors Verfassungsgericht  ■ Von Heike Haarhoff

Eigentlich hätte es ein Feiertag für Karsten Hinrichsen sein sollen. Alle drei schleswig-holsteinischen Atommeiler (Krümmel, Brokdorf, Brunsbüttel) gleichzeitig sind seit gestern abgeschaltet – wenn auch nur vorübergehend für Überwachungsarbeiten. Doch Hinrichsen hatte wenig Grund zum Jubeln: Am Nachmittag wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig seine Klage gegen das AKW Brokdorf ab (AZ: 4K 9/93).

Zwölf Jahre lang und durch alle Instanzen hat der 55jährige promovierte Meteorologe gegen das Kieler Energieministerium prozessiert, das dem Druckwasserreaktor vor Hinrichsens Haustür mit der umstrittenen Zweiten Teilbetriebsgenehmigung 1986 den Dauerbetrieb mit plutoniumhaltigen Mischoxid- und Urandioxidbrennelementen gestattete. Erfolglos: Das Gericht konnte nicht erkennen, daß Hinrichsen durch den AKW-Betrieb in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit noch in sonstigen Rechten verletzt werde.

Vielmehr habe das beklagte Energieministerium „dem Gebot des Atomgesetzes genügt, größtmögliche Vorsorge gegen Gefahren aus dem Betrieb“ des Reaktors zu treffen. Ohnehin hätten die „wesentlichen Einwendungen des Klägers“ Regelungen betroffen, die schon in früheren Genehmigungen verbindlich festgelegt worden waren“ – und im nachhinein seien diese nicht anfechtbar.

Mitglieder aus Bürgerinitiativen und vom Landesverband der Grünen, die ihren Parteifreund Hinrichsen durch Spenden und aufmunternde Worte („Wahnsinn, was dieser Mann geleistet hat“) unterstützten und die dreitägige Verhandlung beobachteten, hatten mit dem „bitteren Urteil“ gerechnet: Immer wieder war Hinrichsen unterlegen; nur wegen eines Formfehlers wies zuletzt das Bundesverwaltungsgericht das OVG Schleswig an, seine Klage erneut zu verhandeln.

Dennoch hatte Hinrichsen Zuversicht versprüht: „Das ist keine Wissenschaft, das ist das Leben“, erklärte er, als er zum Prozeßauftakt kistenweise Akten voller Beweismaterial in den Gerichtssaal schleppte, die größtenteils auf seinen eigenen Berechnungen beruhen. Hinrichsen blieb auch äußerlich gelassen, als das Energieministerium seinen Einwand, er trinke jährlich 430 Liter Milch, die wegen des AKWs überdurchschnittlich jodbelastet seien, ins Lächerliche zog: „Ernährungsgewohnheiten sind rechtlich irrelevant.“

Das Energieministerium zeigte sich „nicht überrascht“ von dem Urteil: „Wenn es so einfach wäre, auf dem Klageweg aus der Atomkraft auszusteigen, wäre das schon durch uns geschehen.“

Dem Marathon-Kläger bleibt jetzt noch der Gang vors Bundesverfassungsgericht. „Das“, hat Hinrichsen einmal erklärt, „ist mein höchstes Ziel. Klären zu lassen, ob AKWs nach Tschernobyl mit dem Grundgesetz noch vereinbar sind“. Sollte auch das mißlingen, würde er sich zur Ruhe setzen: „Dann wäre ich ja auch 60.“