Koalitionäres Etat-Wunder: Aus alt mach neu

■ Finanzsenator legt alten Haushalt vor / Opposition will Staatsgerichtshof anrufen

Die Opposition von AfB und Grünen droht mit einer Klage vor dem Staatsgerichtshof. Grund: Der Senat will keinen neuen Haushalt für das Jahr 1999 vorlegen. Stattdessen will Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) einen alten Haushaltsentwurf, der im Dezember 1997 vor der Beratung in der Bürgerschaft zurückgezogen worden war, wieder aus der Schublade holen und beschließen lassen.

„Durch den Zauberspruch des Senats soll eine zurückgezogene Vorlage wieder in Kraft gesetzt werden. Das ist eine Zumutung“, schimpft AfB-Sprecher Andreas Lojewski. Das Zahlenwerk sei mittlerweile veraltet und überholt, mahnen die Oppositionspolitiker. „Schließlich muß die Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres in die Haushaltsentwürfe einfließen. Auf der Grundlage der neuen Steuerschätzung müssen neue Einnahmebudgets aufgestellt und die Ausgaben entsprechend angepaßt werden“, sagt Lojewski. „Insofern ist die Vorgehensweise des Senats ein Skandal.“

Der Senat versuche, „eine olle Kamelle“ als den neuen Haushalt von 1999 zu verkaufen, schimpft auch Dieter Mützelburg, Fraktionssprecher der Grünen. Im Kultur, Bildungs- und Justizhaushalt seien neue Löcher aufgerissen. Anstatt sich Gedanken darüber zu machen, wie diese gestopft werden könnten, versuche der Senat, die Misere mit Hilfe einer alten Vorlage zu vertuschen. Vor allem die geplanten Sparmaßnahmen haben es in sich. Insgesamt sollen 140 Millionen Mark gespart werden. Vorläufige Liste der Sparmaßnahmen: Im Bereich Jugend- und Soziales sollen 29 Millionen Mark gespart werden, Inneres muß mit elf Millionen weniger im Jahr auskommen, das Bildungsressort soll auf zehn Millionen Mark verzichten, das Bauressort auf 25.

Darüber hinaus verstößt der Senat nach Meinung der Opposition gegen das Deputationsgesetz. Der alte Haushaltsentwurf soll beschlossen werden, und zwar ohne daß die Deputation noch einmal damit befaßt werde. AfB und Grüne wollen notfalls vor dem Staatsgerichtshof dagegen klagen. Um zu erreichen, daß die Haushaltsaufstellung doch noch in der Deputation beraten wird, haben sie einen Dringlichkeitsantrag für die Bürgerschaftssitzung in der kommenden Woche gestellt. Sollte sich die Große Kolation von CDU und SPD diesem Anliegen verschließen, wollen die Oppostionspolitiker vor den Staatsgerichtshof ziehen. „Dann sind wir gezwungen, die Koalition mit Hilfe des Staatsgerichtshof daran zu erinnern, daß auch im Prozeß der Haushaltsaufstellung die Gesetze einzuhalten sind“, sagt Lojewski.

Zur Erinnerung: Am 2. Dezember 1997 wurde der Haushaltsentwurf für das Jahr 1999 kurz vor der Beratung in der Bürgerschaft zurückgezogen. Das Zahlenwerk hatte es in sich: Die mittelfristige Finanzplanung wies ab dem Jahr 1999 ein regelmäßiges Haushaltsloch von 1,4 Milliarden Mark im Jahr aus. Selbst der Verkauf der Stadtwerke-Anteile würde nicht ausreichen, um das Loch zu stopfen. Die Neuverschuldung – so die Berechnungen – würden Jahr für Jahr um eine Milliarde Mark oder mehr steigen. Ein neuer Kassensturz wurde auf Mai 1998 verschoben.

Statt eines Kassensturzes gibt es jetzt eine alte Vorlage. Alle Haushaltsentwürfe, die schon einmal von den Fachdeputationen beraten worden seien, würden „nahezu unverändert“ übernommen, schrieb Finanzsenator Hartmut Perschau in einem Brief an Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD). Er sehe daher keinen Anlaß die Deputation erneut mit dem Thema zu befassen. Die Deputation hätte schon einmal über die Haushaltsansätze beraten. „Die gesetzlichen Rechte der Fachdeputation“ seien also „in vollem Umfange gewahrt worden“. kes