Frühjahrsputz am Rhein

■ Strategisch Unordnung schaffen: „Mai 98“ in der Kölner Kunsthalle

In letzter Zeit fristete die Kölner Kunsthalle ein eher tristes Dasein. Trotz der Innenstadtlage wird sie in der Rheinmetropole wegen eines beschlossenen Museumsneubaus stiefmütterlich behandelt. Die Abrißbirne droht allerdings nicht allein dem schlichten Sechziger-Jahre-Kubus, sondern dem gesamten Architekturensemble mit Volkshochschule und dem traditionsreichen Kölnischen Kunstverein. Dieser hatte sich etwas verspätet gegen den Kahlschlag zu wehren versucht, nun macht auch die Kunsthalle mit einer planstabmäßig organisierten Ausstellung zeitgenössischer Kunst auf sich aufmerksam. „Mai 98“, so der in gelben Großbuchstaben aufs Dach montierte Titel, verheißt Aufbruchstimmung.

Unter diesem Motto, das in lockerer Analogie auf die 68er-Revolte anspielt, unterzogen die beiden Kuratorinnen Brigitte Oetker und Christiane Schneider den zweigeschossigen Bau einem gründlichen Frühjahrsputz. Sie öffneten die Fensterfront zum Blick auf das vis-à-vis gelegene Schnütgenmuseum und verpaßten dem Obergeschoß einen hellen Kunststoffboden. Die Säle sind jetzt nicht nur lichter, sondern erlauben auch Bezüge zur Umgebung. Der Isländer Olafur Eliasson (geboren 1967) hat sofort die Öffnung des Raums aufgenommen und auf dem Josef-Haubrich-Hof vor der Kunsthalle einen Wasserfall errichtet. Auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite kommentiert Robert Morris (Jahrgang 1931) mit seiner Arbeit „Steam“, bei der einem Apparat luftdruckabhängig Wasserdampf entweicht, die wechselhafte Kunst-Wetterlage.

Kontinuität künstlerischer Tendenzen seit den 60er Jahren sollte die subjektive Auswahl der rund 90 Arbeiten von 24 KünstlerInnen rechtfertigen. Bei einem Budget von 1,2 Millionen Mark müssen zwangsläufig Lücken bleiben. Dennoch bleibt das Konzept roh gezimmert. Erreicht wurde weniger die Fortsetzung von Concept- art oder situations- und betrachterbezogener Kunst in historischer Linie als vage Beziehungen der KünstlerInnen untereinander – wie etwa Martin Kippenbergers Antiskulptur „Studentenwohnheim Riad“ (1985) aus übereinandergestapelten Holzpaletten und Manfred Pernices variable Spanplatten-Modellarchitektur („Wall“ von 1997) oder Valie Exports 1969 konzipierte interaktive Videoinstallation „Autohypnose“ und Angela Bullochs „Crowd Sound Piece“ (1990).

Insgesamt ist der Ausstellung das Engagement führender Kölner Galerien anzumerken, die das Zustandekommen von „Mai 98“ eifrig betrieben hatten. Isa Genzkens oder Rosemarie Trockels gezeigte Arbeiten z.B. sind dem Kölner Publikum recht gut bekannt. Bleibt das Ausstellungskonzept eher indifferent, lassen sich doch Entdeckungen machen, so etwa Eva Hesses Zeichnungen absurder Maschinenprothesen, die Duchamps „Großes Glas“ zitieren, Richard Artschwangers „unbrauchbare“ Möbelobjekte oder Allen Ruppersbergs Work-in-Progress „Where's Al“. Der eingebaute Fehler, die bewußte Störung einer simulierten Ordnung habe sie interessiert, bekannten Oetker und Schneider. So hat etwa André Cadere in seine farbkombinatorisch bemalten Holzstäbe – den „Barres de bois rond“, mit denen er von Ort zu Ort spazierte und sie nur kurz „abstellte“ – eine Fehlfarbe ins Streifenmuster eingeschmuggelt. Mehr Mut zum Rechenfehler hätte der Ausstellung gutgetan. Statt dessen lauert hinter der geputzten Oberfläche mit dem nächsten Projekt schon wieder die alte Tristesse auf die Kunsthalle. Petra Löffler

„Mai 98“. Bis 19.7. in der Kunsthalle Köln am Neumarkt, Köln