Ein rätselhaftes Elfmeterschießen

■ Die FC St. Pauli A-Jugend schlägt Kaiserslautern und erreicht das Halbfinale um die deutsche Meisterschaft

Jugend-Spielen wohnt etwas grundsätzlich Spannendes inne. Als es in der Schlußphase 1:1 stand, rätselte man in den Zuschauerreihen über die Konsequenzen dieses Resultats. Reichte das Remis nach dem 2:2 auf dem Platz Betzenberg 4 vor Wochenfrist, zählten Auswärtstore nicht doppelt? Wer nicht mit seinem Nachbarn diskutierte, sah noch, wie Lauterns Lechner beinahe alle Erkundungen nach den Regelfeinheiten obsolet gemacht hätte. St. Pauli-Keeper Dröge faustete den 25-Meter-Schuß gerade eben über die Latte.

Das Rätseln ging also weiter, die Lösung hatte – kurz vor dem Abpfiff – der Stadionsprecher parat: Im Jugendbereich zählt die Europacup-gewohnte Auswärtstor-Regel nicht, also: Elfmeterschießen. Den 13-Uhr-Krimi hatten sich die Nachwuchs-Braun-Weißen selbst zuzuschreiben. Sie hatten, als die reguläre Spielzeit abgelaufen war, einmal mehr zuwenig aus ihrer spielerischen Überlegenheit gemacht. St. Pauli vergab gerade in der Anfangsphase fahrlässig Hochkaräter von Ivan Klasnic (15.), Simao da Silva (21.) und Bajramovic (30.). Danach wurde Lautern allerdings stärker und erzielte durch Goalgetter Benjamin Auer (44.) die Führung.

So drohte zur Pause ein Dejà-vu. Schon 1981 verspielte die FC-A-Jugend nach einem Remis in Lautern durch eine 0:1-Heimniederlage den Halbfinaleinzug. Gut, daß die heutigen Spieler (Jahrgänge 1979 bis '81) damals noch nicht viel vom Spiel Ball-rund-in-Tor-eckig mitbekamen und ihren Pausentee ohne Traumata trinken konnten. Nach Wiederanpfiff stabilisierte der rasche Ausgleich die Nerven. Simao da Silva wieselte durch die Lauterer Abwehr, ehe er von Keeper Michelbach gelegt wurde. Den fälligen Strafstoß verwandelte Slatan Bajramovic souverän zum 1:1.

Es sollte nicht der letzte Elfmeter bleiben. St. Pauli drängte zwar aufs 2:1, verstärkte mit Stürmer Galloway für Mittelfeldspieler Abshagen (70.) die Offensive, doch da Silva und Klasnic scheiterten jeweils. In der Elfmeter-Entscheidung boxte Dröge den Ball des Lauterers Warminski weg, Bekdemir setzte den nächsten Schuß der Gäste neben das Gehäuse. St. Paulis Schützen dagegen souverän: „Ich lasse den Spielern immer frei, ob sie schießen wollen“, verzichtete Trainer Philipkowski auf Anweisungen für den Shoot-out und lag damit richtig. Saravolac verwandelte schließlich den letzten Elfer zum 5:3-Gesamtsieg.

Das erfreute auch die Vereinsführung, die mit Heinz Weisener an der Spitze fast vollständig erschienen war. Für sie ist der Siegeszug ihrer Teenager gutes argumentatives Futter fürs nachwuchsorientierte Konzept 2000. Von der erfolgreichsten A-Jugend der Vereinsgeschichte werden gleich sieben Kicker von den Amateuren übernommen, die dann von Philipkowski trainiert werden.

Mißtöne gab es allerdings auch. In einem offenen Brief der Spieler an die Jugendleiterin Ingeborg Schnell wird die „Nichtbeachtung seitens der Jugendleitung“ beklagt. Schnell habe weder mit der Mannschaft gesprochen, noch habe sie ihr zum Titelreigen gratuliert. Auch ihr Abschlußessen habe die Mannschaft selbst bezahlen müssen. „Wir verlangen von Ihnen, daß Sie Ihrer Pflicht als Jugendleiterin unseres Vereins nicht nur beim Einsammeln der von den Mannschaften erspielten Preisgelder erfüllen“, heißt es im von der Mannschaft unterzeichneten Schreiben.

Die Feiern nach dem Elfmeterschießen konnte auch dieser Zwist nicht trüben. 1.500 Zuschauer bedeuteten Zuschauerrekord für St. Pauli im Sternschanzenpark. Der könnte bereits übermorgen wieder gebrochen werden. Dann empfängt St. Paulis A-Jugend den Titelverteidiger Borussia Dortmund zum Halbfinal-Hinspiel. „Das wird schwerer werden als gegen Kaiserslautern“, ahnt Philipkowski. Zumindest an der Chancenverwertung sollten seine Spieler noch fleißig üben – gegen die dominierende Jugendmannschaft der letzten Jahre dürften Einschußgelegenheiten Mangelware sein. Folke Havekost

Deutsche Meisterschaft A-Jugend, Halbfinale: FC St. Pauli – Borussia Dortmund, Mittwoch, Sternschanze, wohl 18.30 Uhr