Jasmin O: Schlamperei bei Altersfeststellung

■ Staatsanwaltschaft fragte erst kürzlich nach Geburtsdokumenten. Die Akte des Ausländeramtes forderte die Justizbehörde gar nicht an

Bei der Feststellung des Alters von Jasmin O. ist die Staatsanwaltschaft offenbar fahrlässig vorgegangen. Sein Vater, Alija O., sagte der taz, die Staatsanwaltschaft habe ihn erst in der vorletzten Woche beim Haftprüfungstermin seines Sohnes nach dessen Geburtsurkunde gefragt. Dies gilt auch für den Paß der Mutter, in dem Jasmins Geburtstag eingetragen sei. In beiden Dokumenten sei als Geburtsdatum der 26.9.1984 angegeben – Jasmin O. wäre demnach noch 13 Jahre alt und damit nicht strafmündig. Dem Jungen werden über 100 Straftaten angelastet.

Jasmin O. wurde jüngst nach elf Wochen aus der geschlossenen Jugendstrafanstalt Kieferngrund entlassen, weil ein Gutachter nicht ausschließen konnte, daß der Junge jünger als 14 sei. Seine Schätzung jedoch lag bei einem Alter von 14 bis 15 Jahren.

Justizsprecher Matthias Rebentisch bestätigte, daß die Staatsanwaltschaft bis zum Entlassungstermin die Geburtsurkunde nicht angefordert habe. Und: Erst beim Haftprüfungstermin hätten die Eltern angegeben, daß ihr Kind in Belgrad geboren sei. Rebentisch: „Vorher ging man davon aus, daß Jasmin in Bosnien geboren sei.“ Nach dem Krieg sei es jedoch sehr schwierig, von dort Dokumente zu bekommen. Nach Angaben des Vaters ist Jasmin tatsächlich in Belgrad geboren, aber in Bijeljina aufgewachsen, das in der heutigen Republik Srpska liegt. Laut Rebentisch hat die Staatsanwaltschaft inzwischen beantragt, daß die Urkunde besorgt wird.

Jasmin O.s Rechtsanwältin kritisierte, daß die Staatsanwaltschaft erst so spät reagiert hat: „Es ist die Aufgabe der Staatanwaltschaft, nachzuweisen, daß Jasmin älter als 14 ist. Das ist nicht die Aufgabe der Eltern.“ Diese hätten keinerlei Ahnung vom deutschen Rechtssystem. „Sie sind darauf angewiesen, daß man ihnen genau sagt, was sie tun sollen“, so die Anwältin.

Der Paß der Mutter, auch das bestätigte der Justizsprecher, wurde erst beim Haftprüfungstermin den Behörden vorgelegt. Dort sei vermerkt, daß Jasmin im September 1984 in Belgrad geboren sei. Jedoch sei die Eintragung in den Paß, der 1995 von der bosnischen Botschaft in Bonn ausgestellt wurde, von „fragwürdiger Beweislast“. Es gebe keinerlei Nachweis, daß die mündlichen Angaben der Mutter über das Geburtsdatum auch stimmten. „Doch warum sollte die Mutter zu diesem Zeitpunkt, als ihr Sohn noch gar nicht kriminell war, ein falsches Datum angeben?“ fragt sich Jasmin O.s Anwältin.

Sie kritisiert zudem, daß die Staatsanwaltschaft zu keinem Zeitpunkt die Akte der Familie von der Ausländerbehörde angefordert habe. Auch dort sei eine Kopie des Passes enthalten. „Die Akte wurde nicht einbezogen, weil das bei den bereits vorhandenen Kenntnissen nicht erforderlich schien“, sagt Rebentisch. Ausgangspunkt sei gewesen, daß ein Polizeibeamter bei einer Festnahme Jasmin O.s „ernste Zweifel“ geäußert hatte, daß der Junge jünger als 14 sei. Daraufhin wurde das Altersgutachten in Auftrag gegeben. Julia Naumann

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