„Er dohnanyisiert mal wieder“

Ein Hamburger Bürgermeister, den seine Partei nie mochte, scheiterte an seiner Weltläufigkeit und an Henning Voscherau: Klaus von Dohnanyi zum 70. Geburtstag  ■ Von Sven-Michael Veit

Ein Wort aus seinem Munde machte Karriere, als er die seine fast schon hinter sich hatte. 1985 war es, da prägte Klaus von Dohnanyi, der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, in einer wirtschaftpolitischen Grundsatzrede vor dem Überseeclub einen Begriff, der ihn überleben wird: Standortpolitik. Als er seine wirtschaftspolitischen Visionen für den Stadtstaat verkündete, ging es mit ihm als Regierungschef an der Elbe schon bergab.

1981 hatten Hamburgs Sozialdemokraten den früheren Bundesbildungsminister und gescheiterten SPD-Spitzenkandidaten in Rheinland-Pfalz bekniet, Senatspräsident in der Stadt zu werden, in der er heute vor 70 Jahren geboren wurde. Gerade hatten sie Amtsinhaber Hans-Ulrich Klose davongejagt, weil der auf einen moderaten Anti-Atom-Kurs geraten war; um einen vorzeigbaren Neuen aber waren sie arg verlegen. Da kam die Erinnerung an den vornehmen Freiherrn, dessen Vater seinen Widerstand gegen Hitler mit dem Leben bezahlte, gerade recht.

Dohnanyi kehrte zurück, doch politisch glücklich wurde er in Hamburg nie. Seine erste Bürgerschaftswahl im Juni '82 vergeigte er wie kein Bürgermeister vor ihm: Von 51,5 runter auf 42,7 Prozent, statt der FDP zog die GAL ins Parlament ein und als Höchststrafe: Die CDU wurde mit 43,2 Prozent erstmals zur stärksten Fraktion.

Nach einem halben Jahr „Hamburger Verhältnisse“ – mit den „politisch unreifen“ Grünen um Thea Bock und Thomas Ebermann wollte er nicht koalieren, mit der CDU um den ihm persönlich unangenehmen Ex-Major Hartmut Perschau erst recht nicht – mußten die HamburgerInnen im Dezember '82 erneut wählen. Und sie hatten die vermeintliche Lektion verstanden: Ohne eine starke SPD geht es Hamburg noch schlechter. 51,3 Prozent machten Dohnanyi zum strahlenden Alleinregenten. An der wachsenden Abneigung in der eigenen Partei gegen den „aristokratischen Herrenreiter“ änderte das aber nichts mehr.

„Der dohnanyisiert mal wieder“, murrten die einen, wenn der Prädikatsjurist mal wieder Weisheiten auf Latein von sich gab; „Dochnieda“, tauften ihn andere, denen des Bildungsbürgers Weltläufigkeit auf die Nerven ging, wenn er eine Opernpremiere in Bayreuth dem Aktenstudium im Rathaus vorzog. Auch die Parteilinken wußte Doh-nanyi zu verprellen. Das Museum der Arbeit lehnte er als „zu wenig repräsentativ“ ab; den für Neumodisches bekannten Schauspielhaus-Intendanten Peter Zadek rügte er mit den Worten: „Wir lieben unsere Klassiker, und wir freuen uns, wenn wir sie wiedererkennen.“

Im Frühjahr 1987 schließlich machte ein Mann sich daran, Doh-nanyi zu stürzen. Als der Bürgermeister begann, eine vorsichtige Koexistenzpolitik mit den BewohnerInnen der bunten Häuser in der Hafenstraße einzuleiten, trat der damalige SPD-Fraktionschef Henning Voscherau unter Protest zurück. Ein Jahr lang hörte und sah man öffentlich fast nichts von Voscherau, derweil er hinter den Kulissen an Dohnanyis Sessel sägte. Am 8. Juni 1988 wurde er dessen Nachfolger.

Seine fast genau sieben Jahre als Hamburger Bürgermeister, so begründete Dohnanyi seinen Rücktritt, seien eine Zeit gewesen, „in der sich Kreativität und Durchsetzungsfähigkeit abgenutzt“ hätten. Kein Wunder bei einem Mann, dessen heftigste politische Gegner das gleiche Parteibuch hatten.