Antifa-Verletzter ohne Erinnerung

■ Nach Busattacke: Zerstochene Autoreifen bei DVU-Politiker und Polizei ermittelt

„Wir ermitteln wegen schweren Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung“, bestätigte Staatsanwalt Uwe Picard nach dem Überfall auf einen Reisebus am Samstag beim Bremer Hauptbahnhof. Der Bus, in dem überwiegend ältere DVU-Mitglieder aus Bremerhaven zu einer Sonnenwendfeier ins schleswig-holsteinische Pölitz fahren wollten, war von einer Gruppe Bremer „Antifaschisten“ angegriffen worden. „Wir wollten die nur am Weiterfahren hindern“, so ein Vertreter der DemonstrantInnen, der ungenannt bleiben will, gegenüber der taz.

Nach seiner Darstellung hatten die rund 90 DemonstrantInnen durch Mund-zu-Mund-Propaganda und Flugblätter von einer Durchreise „der Faschos“ erfahren. „Wir waren deshalb ganz erstaunt, daß keine Polizei am Bahnhof stand, als wir kamen“, berichtet der Aktivist. Die Polizei bestätigt, daß Zeugen „einen Angriff auf einen Bus“ gemeldet hatten.

Zugleich mit den Einsatzkräften, die am Bus bereits zertrümmerte Front- und Seitenscheiben vorfanden, trafen Krankenwagen ein. Einer der Demonstranten war durch die Explosion eines Busreifens schwer verletzt worden. Während die Polizei davon ausgeht, daß der 25jährige zuvor in den Reifen gestochen habe, heißt es seitens des Anwalts, der Mann könne sich an nichts mehr erinnern. Er habe eine Gehirnerschütterung sowie mehrere Verletzungen erlitten; wegen einer Wunde an der Hand wurde er zwischenzeitlich operiert.

„Nach der Explosion ist die Sache aus der Hand gelaufen“, berichtet ein Zeuge auf Seiten der Demonstranten. Nachdem zunächst unklar war, was geschehen war, habe großes Durcheinander geherrscht. Während sich einige Sicherheitsleute aus dem Hauptbahnhof vor die Reisenden stellten, hätten die Demonstranten „sogar vergessen, das Transparent aufzurollen.“ Bei alldem hätten die Demonstranten jedoch keine Insassen des Busses angegriffen. „Wir wollten ja nur die Weiterfahrt verhindern.“

Daß Übergriffe auf Personen offenbar nicht beabsichtigt waren, bestätigen auch Polizei und Staatsanwaltschaft. 21 Personen waren am Sonnabend kurzfristig festgenommen worden. Sollte es zu einem Gerichtsverfahren kommen, drohen den Angeklagten ein halbes Jahr Haft und mehr. Der betroffene Busunternehmer von Rahden beziffert den Schaden am Bus auf mehrere zehntausend Mark. Weitere Auskunft, etwa über offizielle Angaben der Reisenden zu ihrem Reisezweck, gab man nicht.

Unterdessen ermittelt die Polizei seit dem Wochenende auch in eigener Sache. Rund ums Polizeihaus wurden die Reifen mehrerer Streifenwagen zerstochen, ebenso die Autoreifen des in Bremen wohnhaften Landes-Chefs der niedersächsischen DVU. „Wir gehen davon aus, daß diese Vorkommnisse mit den Verhaftungen zu tun haben“, heißt es im Polizeihaus.

Im niedersächsischen Landeskriminalamt weiß man unterdessen von zwei geplanten Sonnenwendfeiern, von denen eine bei Lüneburg verboten worden war. Zwischenfälle wurden nicht bekannt. ede