■ Iran: Innenminister Abdollah Nuri wurde des Amtes enthoben
: Die Schwäche der Liberalen

Irans – für dortige Verhältnisse – liberaler Präsident Chatami hat Glück, daß die Fifa ihm nicht die Regeln vorgeben kann. Seinen Innenminister Abdollah Nuri, dem das Parlament wegen Gefährdung der inneren Ordnung gerade die rote Karte gezeigt und ihn abgesetzt hatte, wechselte er gleich wieder in sein Team ein: als neuen Vizepräsidenten mit neugeschaffenem Amtsbereich. Bei der Fußball-WM hätte Nuri erst mal mindestens zwei Spiele (sprich: Legislaturperioden) Sperre aufgebrummt bekommen.

Dieser Schachzug Chatamis offenbart vor allem seine Schwäche. Außer der Regierung selbst kontrolliert der Präsident keines der zahlreichen Machtzentren im Iran: weder das Parlament noch die Wirtschaft (Basar und Stiftungen), von den eigentlichen Machtorganen Revolutionsführung und Wächterrat ganz zu schweigen. Dort dominieren die „Konservativen“ um Revolutionsführer und Chomeini-Nachfolger Chamenei. Um die Schlüsselfiguren seines 1997 für mehr Offenheit und Pluralismus – immer im Rahmen der bestehenden Ordnung der Islamischen Republik, die auch er nicht abschaffen will – angetretenenen Teams zu retten, kann er nur auf Verfahrenstricks zurückgreifen, die die iranische Verfassung zuläßt. Etwa, daß Vizepräsidenten im Gegensatz zu Ministern nicht die Zustimmung des Parlaments brauchen. Dafür haben sie auch wenig zu sagen.

Die „Konservativen“ haben sich mit der Amtsenthebung Nuris vor allem für zwei Gegentore gerächt, die ihnen die „Liberalen“ ins Netz gelegt haben: das CNN-Interview Chatamis, in dem er den USA eine Wiederaufnahme zunächst sportlicher (!) und kultureller Beziehungen angeboten hatte, und die adäquate Erwiderung Clintons und Albrights Mitte letzter Woche. Mit ihr hatte sich Washington für eine Abkehr vom „Double Containment“ gegen Iran und Irak samt dazugehöriger Verketzerung dieser Staaten und für eine bewußte Förderung der iranischen „Liberalen“ entschieden. Daß die Angebote ihre Adressaten erreicht haben, zeigte die Orgie des Händeschüttelns, die die Fußballteams beider Länder Sonntag abend in Lyon vollführten.

Das Spiel „Großer Satan“ (Iran bisher über die USA) gegen „Schurkenstaat“ (USA über Iran) ist abgepfiffen. Jetzt holzen in Teheran „Liberale“ gegen „Konservative“, und da ist noch nicht einmal Halbzeit. Spielt Chatami zu defensiv, laufen ihm bald seine Anhänger weg. Thomas Ruttig