Neue Atomtransporte stehen bevor

■ Plutonium soll aus Hanau nach Großbritannien geliefert werden. Polizeigewerkschaft will keinen Strahlenmüll mehr eskortieren

Bonn (taz/dpa) – Ungeachtet des Verbots für Atommülltransporte soll in Kürze Plutonium von Hanau nach Großbritannien gebracht werden. Die Umweltorganisation Greenpeace forderte Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) auf, den Transport zu stoppen. Es sei ein „Skandal“ und eine „Provokation“, daß Merkel daran festhalten wolle, sagte Greenpeace-Experte Helmut Hirsch gestern in Bonn. Außerdem solle die in die Affäre um die kontaminierten Atommüllbehälter verstrickte Nuclear Cargo Service (NCS) erneut eine Transport- Genehmigung erhalten. Eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums bestätigte, daß der Transport „vor der Erteilung“ stehe.

Greenpeace zufolge handelt es sich um 73 Kilogramm Plutonium aus Hanau für die schottische Wiederaufarbeitungsanlage Dounreay. Der Transport solle möglicherweise kommendes Wochenende über die Autobahn nach Bremerhaven gebracht und von dort verschifft werden. Die Grünen forderten einen sofortigen rechtsverbindlichen Transportstopp und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses – doch die SPD, deren Zustimmung für die Einrichtung gebraucht wird, ist bislang dagegen.

Hermann Lutz, Sprecher der Gewerkschaft der Polzei (GdP), verkündete gestern, er und seine 200.000 gewerkschaftlich organisierten Polizisten seien nicht mehr bereit, Atomtransporte zu schützen. Es gebe „so lange keine Einsätze mehr, bis das Vertrauen vollständig wiederhergestellt“ sei.

Gemeinsam mit dem Sprecher der Gewerkschaft der Eisenbahner, Alois Weiß, sprach Lutz von einem „Vertrauens-GAU“. Weiß forderte deshalb: „Diejenigen, die von den Störfällen gewußt haben, müssen strafrechtlich verfolgt werden.“

Inzwischen diskutieren Greenpeace zufolge die Reaktorbetreiber bereits über eine Erhöhung der Grenzwerte für die radioaktiven Flecken auf Transportbehältern. Grund sind die immensen Kosten, die bei einer ordnungsgemäßen Dekontamination und technischen Verbesserungen anfallen würden. Elmar Schlich, ehemaliger Castor- Konstukteur rechnete kürzlich mit zusätzlich rund 10 Millarden Mark allein in Deutschland.

In den von Bundesumweltministerin Merkel inzwischen freigegebenen Protokollen der „Ständigen Arbeitsgruppe für den sicheren Transport radioaktiver Stoffe in der Europäischen Union“ finden sich ebenfalls Passagen, in denen eine „dringende Diskussion“ über zukünftige Grenzwerte gefordert wurde. Auf Anfrage sah sich allerdings das Umweltministerium in Bonn nicht in der Lage, dazu Stellung zu beziehen.

Ein Sprecher der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) wiedersprach gegenüber der taz: „Bei der VDEW ist nichts über eine Diskussion zur Anhebung von Grenzwerten bekannt... Grenzwerte werden einzig und alleine vom Gesetzgeber festgelegt.“ Peter Sennekamp