Die Himmelsstürmerin

■ „Und vor mir die Sterne“: Im Metropolis läuft ab morgen eine Doku über die Schlagersängerin Renate Kern

Ja, der Rex Gildo, der weiß, wie das geht. Der kommt auf die Bühne, bleckt die Zähne, schreit „Hossa“, und am Ende dürfen ihm auch noch ein paar der ausgetickten Hausfrauen an die Wäsche. Keine Ahnung, ob ihm das gefällt, wenn nicht, dann merkt man ihm das jedenfalls nicht an. Es kann nicht verwundern, daß die Filmemacher Ulrike Franke und Michael Loeken ausgerechnet einem Auftritt von Rex Gildo im schönen Schenefelder Einkaufszentrum soviel Platz einräumen, denn der Mann ist das genaue Gegenteil von der Frau, um die es in ihrer Dokumentation Und vor mir die Sterne geht: ein Profi, ein Dickhäuter, eine Illusionsmaschine.

Renate Kern sang zwar „Lass den dummen Kummer“ oder „Du mußt mit den Wimpern klimpern“ – aber so flott wie sie in ihren Liedern oft reimte, nahm sie das Leben dann doch nicht. Und vor mir die Sterne erzählt von einer Illusionsmaschine, die mit der Traumproduktion nicht recht nachkommt. Und die Filmemacher montieren anschaulich altes Bildmaterial, das die Schlagersängerin immer ein bißchen demoliert und desoriert zeigt: Bei ihrem Auftritt in der allerersten ZDF-Hitparade 1969 hält sie sich an Krücken fest, während einer Probeaufnahme starrt sie minutenlang verwirrt in die Kamera.

Renate Kern sah immer ein bißchen so aus, als ob sie nicht recht wisse, was da in der Welt um sie herum geschehe. Und 1972, als die Sterne schon hinter ihr lagen, sang sie „Ich will nach Haus“. Das wußte damals keiner, aber Renate Kern war mit ihrem Vibrato und ihrem Weltschmerz immer eine Country-Sängerin im Schlager-Kostüm gewesen. Was sie, als sie wirklich keiner mehr hören wollte, ganz auszog und gegen einen echten Stetson-Hut eintauschte: 1980 ging sie nach Nashville, setzte sich eine blonde Perücke auf, nannte sich Nancy Wood (nach Nancy Reagan und Nathalie Wood) und spielte eine Country-Platte ein. In Amerika hatte sie damit kurzzeitig Erfolg, in Deutschland mußte sie weiter von Volksfest zu Volksfest tingeln.

Klar, die Geschichte des ausgeglühten Sternchens ist guter Stoff für eine Doku: hier die Illusion, da die unfreundliche Wirklichkeit, und in der Mitte der Mensch, der an diesem Widerspruch scheitert. Die Geschichte wurde ja schon oft erzählt. Aber Ulrike Franke und Michael Loeken finden noch einmal eine Möglichkeit, sie angemessen umzusetzen. Die verbindenden Motive sind Bilder von Truckern, sozusagen letzte Fans von Renate Kern alias Nancy Wood. So wird Pietät hergestellt. Dazwischen: Ausschnitte aus der TV-Gründerzeit, Super-8-Material über bescheidenes häusliches Glück, alte Weggefährten am Tresen, lakonische Aufnahmen aus der Klinik, in der die Sängerin die letzten Monate ihres Lebens verbracht hat. 1991 wurde sie entlassen, kaufte sich einen Strick, hing sich auf.

Christian Buß

morgen, 19 Uhr; Fr, 26. Juni, 19 Uhr; So, 28. Juni, 19 Uhr; Mo, 29. Juni, 17 Uhr, Metropolis (wird im Juli fortgesetzt)