Kein Geld für Restauration historischer Schriften

■ Neben Linzer Diplom kehrt auch das Bremer Stadtrecht aus Armenien zurück

„Im Namen des Vater, des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen“, steht in gleichmäßigen Buchstaben vor dem Gesetzestext des Bremer Stadtrechtes von 1433. Trotz der Wasserflecken am Rande des Pergamentblattes ist die 565 Jahre alte Handschrift gut leserlich. Tinte aus Pflanzenextrakt und Ochsenblut ist beständig. Auch Pergament ist bei richtiger Lagerung (18 Grad Raumtemperatur und 45 Prozent Luftfeuchtigkeit) unbegrenzt haltbar.

Das Stadtrecht gehört zu den 80 historischen Handschriften und Musikalien, die jetzt aus der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften in Erivan nach Bremen in den Bestand des Staatsarchives und der Staatsbibliothek zurückgekehrt sind. Unter den 575 kostenbaren Handschriften, die der armenische Außenminister bei einem Staatsbesuch am 4. Mai in Hamburg übergeben hat, war auch das Linzer Diplom, die Unabhängigkeitsurkunde Bremens (taz 3.6) und die Korrespondenz des Bremer Arztes und Astrologen Wilhelm Olbers (1758 bis 1840).

„Wir freuen uns natürlich“, sagt Annette Rath-Beckmann, Direktorin der Bremer Staatsbibliothek. „Doch gemessen an den historischen Beständen, die wir vermissen, ist das wenig.“ Rund 100.000 Bände, darunter Inkunablen (Wiegendrucke, frühstens bis zum Jahre 1500 einschließlich hergestellte Buchdrucke), aus dem ehemaligen Bestand der Staatsbibliothek gelten seit dem Krieg als vermißt. 14.000 Bände bekam die Staatsbibliothek vor zwei Jahren aus Tiflis (Georgien) zurück. Die Bücher und Dokumente wurden in der Staatsbibliothek zu Berlin vorsortiert, gesichtet und gesäubert. Seit März sind die bibliophilen Schmuckstücke wieder in Bremen. Sie sollen vom 16. November bis zum 18. Dezember in der Sparkasse am Brill ausgestellt werden. Doch die Freude über die Rückkehr der Bücher wird getrübt von der Sorge um den Erhalt der Schriften. Etwa 5.000 Bände müßten restauriert werden, so Rath-Beckmann. Die Bibliotheksdirektorin schätzt, daß die Restauration etwa zehn Jahre dauern würde. Um die Bestände wieder auf Fordermann zu bringen, müßten zwei festangestellte Restauratoren mt einem Jahresgehalt von 100.000 Mark brutto eingestellt werden. Mit der Restauration des Bremer Stadtgesetzes, dessen Einband beispielsweise erneuert werden muß, wäre ein Restaurator etwa vier bis sechs Wochen beschäftigt. Derzeit ist bei der Staatsbibliothek aber nur eine Restauratorin mit einer halben Stelle beschäftigt. Die Staatsbibliothek will deshalb versuchen, Gelder bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft locker zu machen.

Die Spur der verlorenenen Bremer Bücher verliert sich in St. Petersburg. Auf Lastwagen verfrachteten die Soldaten der Roten Armee die Bücher, Schriftstücke und andere Beutekunst. Etwa 20.000 Bände aus bremischen Beständen, darunter Holz- und Kupferstiche des 16. bis 19 Jahrhunderts befinden sich in der Nationalbibliothek in Sankt Petersburg. Eine Rückführung dieser Bestände ist aufgrund des russischen Beutekunstgesetzes nicht absehbar.

Einige Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion haben jedoch signalisiert, historische Bestände zurückzugeben. Dazu sei allerdings noch „viel diplomatisches Geschick“ von Nöten, so Rath-Beckmann. „Das ist kein Abenteuerspielplatz für deutsche Bibliothekare.“ kes