Großelternmusik – aber postmodern

■ In einer Matinée erläuterte der Komponist Marcello Panni die Hintergründe seiner Oper „Das Bankett“ / Uraufführung am kommenden Sonntag im Concordia

Wer in Bremen an einer Uraufführung teilnehmen will, hat reichlich Auswahl. Da soll noch mal einer sagen, hier sei nichts los. Nun hat das Bremer Theater – eine bereits schöne Tradition – wieder einmal einen Kompositionsauftrag für eine Uraufführung vergeben. Er ging an den italienischen Komponisten Marcello Panni, dessen einaktige Oper „Das Bankett“ am 28. Juni im Concordia unter der Leitung von Günter Neuhold uraufgeführt wird.

Das philosophisch und stilistisch postmoderne Motto des 1940 in Rom geborenen Komponisten lautet: „Alles ist bereits gesagt und geschrieben worden, daher sagen und schreiben wir es nochmals.“ Diesmal, so wurde deutlich in der gut besetzten Matinée im Schauspielhaus, entschied er sich für den Stil der zwanziger und dreißiger Jahre. „Anachronistisch“, wie er bemerkenswerterweise selbst sagt; „die Musik unserer Großeltern“, so der musikalische Leiter der Aufführung, Generalmusikdirektor Günter Neuhold. Schwer, sich vorzustellen, Mozart hätte sich entschieden, im Stil von Johann Sebastian Bach zu schreiben oder Robert Schumann wie Mozart oder Strawinsky wie Brahms – das aber sind zeitlich vergleichbare Abstände.

Pannis dritte Oper „Das Bankett“, „eine Idee nach dem Mittagsschlaf“ (Panni), bezieht sich auf zweierlei. Einmal übernimmt sie Form und Aufbau von Platons „Symposion“ (Gastmahl), zum anderen handelt sie von der Avantgarde des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Das Libretto hat der amerikanische Literaturwissenschaftler Kenneth Koch eingerichtet. Koch will im Gegensatz zu Panni „etwas mit Sprache tun, das nie zuvor getan worden ist“. Die ironischen, leidlich witzigen Aphorismen über die Kunst und das Leben, die er in der Matinée las, machen neugierig, welche künstlerischen Spannungsfunken aus den auf den ersten Blick unvereinbaren ästhetischen Positionen zu schlagen sind. Aber Koch hat es genossen, in diesem Libretto „die Liebe, das Leben und die Kunst zu feiern“, wie er bekannte.

Das Stück spielt in Paris 1917, als der Bürgerschreckkomponist Erik Satie mit Pablo Picasso und Getrude Stein, mit Emilio Filippo und Tomaso Marinetti, mit Jean Cocteau und Guillaume Apollinaire die künstlerische Avantgarde seiner Zeit einlädt. Marinetti feierte den Krieg, Satie bekämpfte den Schwulst von Wagner und Debussy, Stein kreierte die neue Lyrik und Picasso malte seine geometrischen Köpfe. Wenngleich auch die Thematik dieser Oper fiktiv ist, fanden doch die gemeinsamen Treffen genau dieser KünstlerInnen regelmäßig statt.

Hier sprechen sie über die Liebe, geben einen Toast auf sie ab – in der künstlerischen Reflexion: jede/r hat eine stilistisch andere Arie, die seine/ihre künstlerische Ästhetik kennzeichnet. Gemeinsam ist dem musikalischen Stil ein jeweiliger Tanzcharakter wie Mazurka, Walzer oder Foxtrott sowie der Einfluß des Jazz, so Marcello Panni.

Ralph Simon und Ron Peo sangen mit den Arien des Jean Cocteau und Erik Satie zwei Beispiele, über die man jedoch ohne Orchester und ohne Inszenierung wenig sagen kann. Der Regisseur David Mouchtar-Samurai, dem wir einen preisgekrönten Verdi'schen Macbeth zu verdanken haben, schwieg an diesem Vormittag. Welchen Stellenwert zum Beispiel er einer Diskussionsrunde über die Liebe am Ende der Belle Epoque, am Ende des ersten Weltkriegs und somit am Beginn eines neuen Zeitalters zuspricht, wird man erst am Sonntag erleben.

Ergänzt wird diese letzte Opernproduktion dieser Spielzeit mit einer Ausstellung der Pariser Erik-Satie-Stiftung im Foyer, die jeweils eine Stunde vor den Aufführungen geöffnet ist. Sie zeigt das Paris der 20er Jahre. Ute Schalz-Laurenze

Uraufführung am Sonntag, 20 Uhr, im Concordia