■ Vorschlag
: Ohne Chiffren: „East Palace, West Palace“ im Filmkunst 66

Die Kamera läßt sich alle Zeit der Welt. Wenn sie zu einem Schwenk ansetzt, dann tut sie es mit Ruhe. Der dritte Spielfilm des chinesischen Regisseurs Zhang Yuan, „East Palace, West Palace“, kennt weder schnelle Schnitte noch optischen Übermut. Benannt nach einem Schwulentreffpunkt in einem Park im Zentrum Pekings, ist der Film die erste chinesische Produktion, die ohne Umwege und Chiffren vom Schwulsein erzählt. Obwohl vom Strafgesetzbuch nicht erfaßt, stellt Homosexualität in China ein Tabu dar – wie sehr, das wurde deutlich, als „East Palace, West Palace“ vor einem Jahr in Cannes lief und Zhang Yuan die Ausreise verweigert wurde.

Im Mittelpunkt des kammerspielartig inszenierten Films stehen A-Lan, ein junger Schwuler, und Shi, ein Polizist. Bei einer Razzia in der Pekinger Cruising-Zone begegnen sie einander zum ersten Mal. Anstatt sich demütig der Staatsgewalt und deren Machtmißbrauch zu fügen, zeigt sich A-Lan selbstbewußt, blickt forsch, ja drückt dem verblüfften Shi gar einen Kuß auf die Wange, bevor er im Dunkeln verschwindet. Wenig später, bei einem erneuten Zusammentreffen in der Cruising-Zone, nimmt Shi A-Lan mit aufs Revier. Deutlich merkt man dem Polizisten an, daß ihn etwas anderes antreibt als die Absicht, A-Lan zu verhaften und zu verhören. Einiges scheint für ihn auf dem Spiel zu stehen. Und tatsächlich: Mag Shi den jungen Schwulen auch noch so beschimpfen, so sieht er dabei doch stets so aus, als sehnte er sich nach A-Lans Kuß.

Natürlich entwickelt sich vor diesem Hintergrund keine Liebesgeschichte, sondern ein spannungsreiches Verhältnis, in dem Macht und Ohnmacht, Selbsthaß und Verdrängungen aufeinander treffen. In Rückblenden wird A-Lans Geschichte erzählt, ist die Rede von seinen Beziehungen, die oft auf einem Machtgefälle gründeten, von Gewalt, der er ausgesetzt war, und auch von einem Umerziehungsversuch, der in einem Krankenhaus an ihm vorgenommen wurde: „Man zeigte mir Heteropornos und gab mir gute Dinge zu essen. Dann zeigte man mir Schwulenpornos und gab mir bitteres Essen. Gewirkt hat es nicht.“ Cristina Nord

Ab morgen im Filmkunst 66, Termine siehe cinema-taz