Sind Sie beschäftigt?
: „Wir müssen alle etwas zurücktreten“

■ Die Krankenschwester Susanne Ganter genießt mit ihrem Beruf eine Sicherheit, „die sonst kaum jemand hat“. Singles wie sie seien eher bereit, ihre Ansprüche zurückzuschrauben

In Berlin gibt es 290.000 Arbeitslose, nur 40 Prozent leben von Erwerbsarbeit. Doch auch wer keine Arbeitgeber hat, ist nicht ohne Arbeit. Die taz fragt deshalb: „Sind Sie beschäftigt?“

Die 38jährige Susanne Ganter: Ich arbeite als Krankenschwester im Rudolf-Virchow-Krankenhaus und habe überhaupt keine Angst, die Arbeit zu verlieren. In dem Job kann man immer arbeiten, es sei denn, man ist alleinerziehende Mutter, denn die Halbtagsstellen sind dünn gesät. Als ich 1979 angefangen habe, war sowieso kaum eine Stelle zu kriegen. Da gab es fast einen Numerus Clausus. Und heutzutage kriegt man die Schulen gar nicht mehr voll. Die Arbeit hat sich

total verändert. Ich arbeite in der Intensivmedizin, das ist viel mehr Apparatemedizin geworden, und man kann viel weniger Patienten betreuen.

Ich bin froh, daß ich einen Job habe, wo ich weiß, ich könnte sogar die Stadt wechseln und würde da Arbeit kriegen. Das gibt eine Sicherheit, die hat sonst wahrscheinlich kaum jemand.

Nach der Arbeit bin ich mit meinen Hobbys und Freunden beschäftigt. Ich nähe und lese sehr viel. Ich bin alleinstehend und genieße das Leben in vollen Zügen. Wenn ich genügend Kleingeld hätte, würde ich auch halbtags arbeiten. Ich denke, daß man die Arbeitszeiten nicht nur flexibler gestalten, sondern auch die dadurch freiwerdenden Stellen besetzen sollte. Ich befürchte, daß wir, ganz realistisch gesehen, unsere Urlaubsansprüche und alles zurückschrauben müssen. Wir müssen alle etwas zurücktreten und dürfen nicht die Vorstellung haben, es geht immer so weiter. Ich glaube, es gibt relativ wenige, die das so sehen. Es sind die Singles, die eher so denken, weil wir keine Familie zu versorgen haben. Eine Familie kann sich in der heutigen Zeit nicht weniger Geld leisten. Das geht definitv nicht. Die kommen so kaum um die Runden. Heutzutage hat man durch den Lauf der Zeit einfach einen gewissen Anspruch ans Leben. Barbara Bollwahn

wird fortgesetzt