Welche Verfassung haben wir gerade?

■ Die PDS bewegt sich doch auf dem Boden der Verfassung. Fragt sich nur, auf welcher. Beim Paragraphenreiten wurde die PDS eiskalt erwischt, wie „Köpke beim 2:0 für Jugoslawien“

Erbost hat sich die PDS-Fraktion beim Verfassungsgericht über Verstöße des Abgeordnetenhauses gegen die Berliner Verfassung beschwert. Dabei liegen ihr besonders folgende Artikel am Herzen: das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten in Wirtschaft und Verwaltung (Artikel 25), das Streikrecht (Artikel 27) und Artikel 31, in dem es darum geht, daß Tiere als Lebewesen zu achten und vor vermeidbarem Leiden zu schützen sind.

Was ist passiert? Hat Diepgen die aus China importierten Pandabären zum Geschlechtsverkehr gezwungen? Drohte Schönbohm seiner Sekretärin mit kalter Aussperrung? Wurde ein Bürokrat bei der Abstimmung über die Dauer der Mittagspause übergangen?

Auch die Verwaltung tappt im dunkeln. Sie meint in einer Erwiderung auf die Klage, daß „aus keiner erdenklichen Betrachtungsweise ersichtlich“ sei, wie das Abgeordnetenhaus gegen Streikrecht, Tierschutz und Mitspracherecht verstoßen habe. Schließlich ging es ja der PDS in der Sache eigentlich darum, daß ein Abstimmungsverfahren einer Sitzung am 22. Januar dieses Jahres verletzt worden sei. Zur Debatte stand damals das Datum des öffentlichen Gelöbnisses. Hier habe, laut PDS, der amtierende Präsident sich bei einer Abstimmung verzählt. Obwohl er auf den Fehler hingewiesen worden sei, habe er die Abstimmung nicht wiederholt.

Das sei ein Verstoß gegen Artikel 25, 27 und 31, begründete die PDS die Klage. Nur leider hat sie dabei wohl in die alte Verfassung geguckt, denn diese sind im betreffenden Zusammenhang völlig abstrus. In der aktuellen Verfassung geht es in diesen Artikeln nicht um Abstimmungsverfahren. Offenbar hat ein schlampiger Anwalt der PDS in seinem Schreiben ans Gericht übersehen, daß Berlin seit 1995 eine neue Verfassung hat. Peinlich, denn immerhin wurde, wie die Verwaltung süffisant bemerkt, deren Inkraftreten in Beisein der PDS beschlossen.

Auch Günter Kolodziej, Pressesprecher der PDS-Fraktion, gibt zu, daß sie „eiskalt erwischt“ worden seien. Einige Sachen seien da nicht ganz sauber gelaufen, kichert er. Aber das sei vergleichbar mit dem Patzer von Andreas Köpke beim 2:0 von Jugoslawien. Kirsten Küppers