Ein Antiquariat für eine Mark

In Prenzlauer Berg will ein Antiquar seinen Laden loswerden. Weder eine Brecht-Verehrerin noch ein Comic-Leser greifen zu. Nun setzt der Händler auf „Plan B“: alte Möbel  ■ Von Kirsten Küppers

Neben dem „Lexikon der grafischen Technik“ liegt im Schaufenster „Onkelchens Traum“ von Dostojewski. An der Scheibe hängt ein Zettel: „Für eine Mark können sie dieses Antiquariat am 22. 6. um 10 Uhr kaufen.“ Welch Schnäppchen, könnte ein argloser Passant denken und zuschlagen. Im Nu ist man stolzer Antiquariatsbesitzer von 5.000 Büchern plus kompletter Einrichtung. Wer hat schließlich nicht schon mal davon geträumt, jeden Tag lange Bücherregalreihen abschreiten zu können?

Auf diese Sehnsüchte hat Hans- Georg Eckardt, Betreiber des kleinen Ladens in der Danziger Straße, spekuliert. Er verschleudert sein Antiquariat nur, weil er einen Nachmieter sucht. Wer also lässig sein Portemonnaie zückt, um Buchprotz zu werden, muß auch monatlich die 1.134 Mark Miete für die knapp 50 Quadratmeter große Ladenwohnung zahlen. Eckardt selbst steckt bis zum Jahr 2000 in dem Mietvertrag, will aber den Buchladen aufgeben, weil das Antiquitätengeschäft, das er zusätzlich in Potsdam betreibt, mehr einbringt. „In Potsdam gibt es Leute, die mal ein paar hundert Mark ausgeben.“ Seit Oktober 1990 verkauft der ehemalige Sportlehrer Bücher in seinem Antiquariat in Prenzlauer Berg. Viele Läden in der Straße seien in der Zeit schon eingegangen, kaum ein Geschäft, das sich länger gehalten habe als sein Buchladen.

Am Montag, zur angekündigten Uhrzeit, tippelt Eckardt nervös von Regal zu Regal und harrt der Kaufinteressenten, die da kommen sollen. Einige „Traumtänzer“ hätten sich schon gemeldet, erzählt er. Aber die Hausverwaltung suche nach einem solventen Mieter. Eine ältere Frau mit Sonnenbrille betritt den Laden. „Haben Sie von Brecht was Altes? Aber nicht seine Weibereien.“ Fehlanzeige. Die Frau „verehrt“ zwar Brecht, strebt aber keine Karriere als Bücherverkäuferin an. Auch ein junger Mann blättert in einem Comic-Heft und beabsichtigt keineswegs, das gesamte Interieur zu erwerben. Als ein „akademisches Viertelstündchen“ verstrichen und noch kein Käufer in Sicht ist, kündigt Eckardt plötzlich „Plan B“ an: Eifrig malt er verkürzte Öffnungszeiten auf ein Schild. Außerdem müsse er jetzt gleich los, alte Möbel kaufen, „weil die sich hier vielleicht besser verkaufen“.