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Stille Tage mit BertiBerti gar nicht still

■ Hardliner Vogts will den Iran über die Abreise seines Teams entscheiden lassen

Es ehrt ja Berti Vogts in gewisser Weise auch, daß er offenbar nicht bedenken wollte, daß in einem Nachdenken über einen vorzeitigen Abschied von der WM (siehe nebenstehenden Text) auch ein persönlicher Vorteil für ihn liegen könnte. Hätte der Verband sein Team nach Hause geschickt, hätte man nicht nur eine politische Verantwortung übernommen – deren Sinn noch bis ins letzte ausdiskutiert werden müßte und sollte. Vogts hätte auch die Gefahr gebannt, für ein frühes Ausscheiden persönlich haftbar gemacht zu werden. Nun muß eben am Donnerstag der Iran über einen vorzeitigen Rückzug der deutschen Fußballer entscheiden.

Weniger Ehre dürfte er allerdings gewinnen mit seinen gestrigen Visionen über „Rechtsverdreher“, die er schon kommen sieht, um den Täter von Lens, „diesen Mann“, zu vertreten. Schlimmer: Vogts schwant, daß sich „auch Psychologen dazu äußern“ werden. Was herauskommt: Man ahnt es. Vogts will jetzt aber „ein deutliches Zeichen“ der Justiz, „im Sinne des Fußballs“. Schön war dagegen wieder, daß er über die Todesstrafe, die er einst befürwortete, kein Wort verlor. Dennoch muß man leider etwas enttäuscht konstatieren: Ein stiller Tag mit Berti war das gestern nicht.

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Thomas Helmer ist wieder ein Führungsspieler. Das erkannte man deutlich an der Art, wie er gestern in Nizza zur Rechten des Vogts' auf dem Podium saß. Und wie er lässig sagte, er würde „gerne wieder am Spielbetrieb teilnehmen“. Also: Helmer wird am Donnerstag spielen und soll die Dinge ordnen, die den Jungprofis Hamann und Jeremies in Lens aus dem Ruder liefen. Außerdem ist es immer so: Wenn die Lage brenzlig ist, dann muß Helmer die r/nichtigen Worte finden. Das ist bei Bayern München auch so. Helmer hat die Einstellung der Kollegen wohlartikuliert zum Ausdruck gebracht: Fußballer wollen Fußball spielen. Neben der taz hatte gestern auch Le Figaro ein Nachdenken eingefordert: „Wenn diese Barbarei anhält“, hieß es dort, „verdient die Frage nach einem weiteren Verbleib dieser Nationen im WM-Wettbewerb gestellt zu werden.“ Helmer ist 33, dies ist seine letzte WM. Er sagt, er habe Zusammenhänge zwischen einem deutschen Rückzug und dessen Auswirkungen „nicht begriffen“.

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Der deutsche Profi Andreas Möller wurde gestern mit keinem Wort mit den Vorfällen von Lens belästigt. Was das Sportliche anbelangt, sagte der zuletzt ausgewechselte und unter anderem von Vogts kritisierte Möller nach kurzem Zögern: „Ja, es ist natürlich unangenehm, jetzt mal zurückblickend auf das Spiel gegen Jugoslawien. Für das Team und auch für mich durch die Auswechslung. Nun hat man sich Gedanken gemacht, besonders ich. Ich bin zu dem Entschluß gekommen, daß ich nach vorne schaue.“

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Logbucheintrag Nr. 1 im amourösen Tagebuch eines Fußball-Korrespondenten: Stand nach zwei Wochen wieder einmal neben einer Frau. Wurde in eine Konversation gezogen, die es schließlich unumgänglich machte, sich vorzustellen. Es stellte sich heraus, daß es sich um eine Fußball-Korrespondentin handelte. Offenbar Italienerin. Schließe seither gelegentlich die Augen und denke an sie.

Stelle mir dann vor, wie es wäre, sich mit ihr über Fußball zu unterhalten. pu

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