■ Mann des Tages: Der Fußballer aus einer anderen Welt: Carlos Valderrama (spielt den idealen Ball)
Es gibt keinen Spieler, mit dem die Deutschen so wenig anfangen können wie mit Carlos Valderrama. Seit Jahren üben sich Trainer, Fußballer, Kommentatoren im kollektiven Valderrama-Bashing, das sich an der Theatralik, an der Lauffaulheit und der geringen Defensivarbeit des 36jährigen Kolumbianers aufhängt. In Frankreich wurde deutlich, daß Valderrama in der Tat ein wenig langsamer geworden ist, mehr Pausen braucht und ungewohnte Ballverluste produziert; sein Fußball, den hierzulande keiner versteht, hat sich jedoch keinen Deut geändert.
Niemand sonst beherzigt so sehr die Devise von Johan Cruyff, daß der Ball schneller ist als jeder Spieler. Valderrama läuft nicht deshalb wenig, weil er faul ist, sondern weil er keine Zeit verlieren will. Wo die Möllers und Zidanes den entscheidenden Moment mit Ballannahme sowie einigen überflüssigen Schritten verpassen und ihn sich erst wieder mühselig erarbeiten müssen, macht Valderrama zwei Drehungen, um sich zu befreien, dann folgt sofort der jeweils ideale Paß, und zwar so exakt bemessen, daß der Adressat – beim 1:0 gegen Tunesien war es Preciado – keine Sekunde damit verplempern muß, den Ball unter Kontrolle zu bringen. Auf die Frage, was den Unterschied gegen die Afrikaner ausgemacht habe, sagte Valderrama: „Das Tor.“ Sein Werk – aber beileibe nicht der erste Paß von ihm, der höchste Gefahr brachte.
Valderramas Problem ist die schwindende Akzeptanz im eigenen Team. Asprilla, der gegen ihn opponierte, mußte heimfahren, aber wie zum Beispiel Lozano mit dem Ball um ihn herumkurvte, grenzte an Majestätsbeleidigung. In der zweiten Halbzeit kam er wenig zur Geltung, weil er den Ball, obwohl anspielbereit, nicht oft genug bekam, bevor er dann doch noch klarstellte, was den Unterschied gegen Tunesien ausmachte: Carlos Valderrama. Matti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen