Alles Müll - oder was?

■ Der Allgäuer Milchkonzern Müller traut den Verwertungsquoten des Dualen Systems nicht über den Weg Aus Köln Michael Franken

Aus Köln Michael Franken

Alois Müller, der Milchkönig aus Aretsried, ist stinksauer. Auf jedem Joghurtbecher, auf jeder Milchtüte prangt der Grüne Punkt. Je nach Verpackung kostet er Müller drei oder vier Pfennig. Satte 42 Millionen Mark an Lizenzgebühren kassiert das Duale System Deutschland (DSD) so von Müller. Da erwartet der Milchkonzern auch eine saubere Verwertung.

Doch genau damit hapere es, schreibt Müller in einem vertraulichen Brief an DSD-Geschäftsführer Wolfram Brück. „Es wäre für die Aktionäre und auch für die Öffentlichkeit sicherlich von großem Interesse, wenn Sie meine Fragen vor der nächsten Hauptversammlung des DSD beantworten würden“, heißt es in dem Schreiben. Auf der heutigen Hauptversammlung des DSD dürften Müllers Fragen für Unruhe sorgen.

Das DSD erklärte Mitte Mai, die Erfassungs- und Verwertungsquoten seien für 1997 über den aktuell vorliegenden Mengenstromnachweis erfüllt (siehe Kasten). 86 Prozent aller Verkaufsverpackungen mit einem Gesamtgewicht von 5,45 Millionen Tonnen seien via Gelber Tonne gesammelt worden. Von wegen, meint Alois Müller. Völlig unklar sei, wie viele von den „5,45 Millionen Tonnen real verwertet und nicht nur bereitgestellt worden“ seien. „Wie definieren Sie zur Verwertung bereitgestellt? Innerhalb welcher Fristen werden die bereitgestellten Materialien tatsächlich verwendet?“ will Müller von Brück wissen.

Die Milch-Manager haben selbst recherchiert. Ihr Ergebnis: Über die Firma Eco-Systems seien wiederholt DSD-Kunststoffe nach Litauen, Polen, Tschechien und in die Ukraine exportiert worden. Die Firma Parsival habe Plastikmüll nach Nord-Korea und China verschifft. „Da kann doch niemand mehr überprüfen, was mit dem Zeug passiert“, meint Müller- Milch-Sprecher Thomas Bachofer. Die Bayern regen sich vor allem darüber auf, daß sie für solche dubiosen Verwertungskanäle Millionen berappen müssen. „Wäre doch einfacher, den Müll direkt zu verbrennen“, so Bachofer.

Der Vorstoß von Müller kommt nicht ganz überraschend. Rund 700 Millionen Mark von insgesamt 4,1 Milliarden zahlt allein die deutsche Milchindustrie in diesem Jahr an das DSD. „Kein Mensch hat uns bisher eine sinnvolle Recyclingmethode präsentieren können“, meint Bachofer. Nun will Müller Licht in die dunklen Verwertungskanäle des Grünen-Punkt-Mülls bringen.

Auch die Sammelquote ist unter Beschuß: „Besitzt das DSD Erkenntnisse, ob und inwieweit die Entsorger auch Gewerbeabfälle als DSD-Ware ausgeben, um die geforderten Sammelmengen zu erreichen (zum Beispiel Baufolien, Schaumstoffe von Baustellen)?“ heißt es in Müllers Brief. Denn laut Anhang I der Verpackungsnovelle dürfen nur Verkaufsverpackungen aus privaten Haushalten und Kleingewerbe für die Quote gezählt werden. Man werde die Sache erst sorgfältig prüfen, heißt es in der Pressestelle des DSD.

Einiges spricht aber dafür, daß Müllers Angriff den Grünen Punkt nicht verbessern, sondern zu Fall bringen soll. Etwa 4,5 Milliarden Mark hat die Milchbranche in den vergangenen Jahren ans DSD gezahlt. Mit diesem Geld, so die Bonner Verbraucherschützer AGV, hätten bei soviel Liebe zur Umwelt auch ein funktionierendes Mehrwegsystem für Milchprodukte aufgebaut werden können.