Lieber Wahlium als Heroin

■ Kontrollierte Abgabe harter Drogen soll Union nicht aufputschen. Gesundheitsausschuß verschiebt neue Drogenpolitik in die nächste Legislaturperiode. Selbsthilfegruppen enttäuscht

Berlin (taz) – Druckräume für Suchtkranke bleiben in der Bundesrepublik verbotenes Terrain, eine ärztlich kontrollierte Heroinabgabe wird es zunächst nicht geben. Der Gesundheitsausschuß des Bundestages hat in seiner letzten Sitzung den Punkt „Betäubungsmittelgesetz“ von der Tagesordnung genommen – und damit die drogenpolitische Kurskorrektur in die nächste Legislaturperiode verschoben. Vor allem FDP und SPD setzten die Nichtentscheidung durch, um der Union kein Wahlkampfthema zu geben.

Dem Ausschuß hatte eine seit vier Jahren immer wieder verschobene drogenpolitische Initiative des Bundesrates vorgelegen. Dabei ging es um probeweise Heroinverschreibungen für Suchtkranke, um Gesundheitsräume für Junkies und um die Tolerierung des Konsums illegaler Drogen in Einrichtungen der Drogenhilfe.

Nach vielen Expertenanhörungen und Besuchen der Abgeordneten bei erfolgreichen Versuchsprojekten zur Heroinverschreibung in der Schweiz hatte die Mehrheit des Ausschuß eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes eigentlich befürwortet. Ausschlaggebend für die Nichtbefassung waren aber die Ängste vor dem Wahlkampf, in dem das Thema „zur Schlammschlacht“ verkommen wäre, wie Abgeordnete der FDP und SPD befürchteten.

„Enttäuscht“ über die Verschiebung äußerte sich die Grünen-Abgeordnete Monika Knoche, die angesichts der „dringenden Notwendigkeit“ auf eine Beschlußfassung gedrängt hatte. Es sei „schnöder Wahlkampfopportunismus“, diesen Tagesordnungspunkt abzusetzen. Gesundheitspolitisch hätte man nur gewinnen können, sagte Knoche.

Mehrere Drogen-Selbsthilfegruppen, Aidshilfen und der Junkiebund Köln hatten noch unmittelbar vor der Entscheidung zum Handeln gemahnt. „Sie haben es in der Hand, die immer wieder verschobene Änderung des Betäubungsmittelrechts zu beschließen und damit den jahrelangen Stillstand zu überwinden“, heißt es in einem Brief an die Ausschußmitglieder. Wenn wieder nichts geschehe, mache sich die Drogenpolitik der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Eine Verschiebung des Vorhabens lasse „Menschenleben außer acht“. Manfred Kriener