■ Kolumne
: Der DFB beziehungsweise die GEMA Von Detlef Diederichsen

Oh nein, jetzt ist es passiert: Termin verschlampt, Kolumne hätte schon gestern früh fertig sein müssen. Das Alter, die Unordnung, das Wetter und der Vollmond sind schuld, aber das interessiert die gestreßte Stimme am Telefon nicht, die auf baldige Erledigung drängt. Also schnell ein Thema finden. Kann doch nicht schwer sein, schließlich darfst du schreiben, was du willst – jeder Kollege würde dich um ein solches Forum beneiden! Nachdenken, konzentrieren, was geht dir so durch den Kopf? Eigentlich nichts, schließlich gehörst du zu jenen armen Sündern, deren ganzes Denken derzeit auf die Fußball-WM ausgerichtet ist. Vielleicht was über schöne brasilianische Fußball-Lieder, über Joao Havelange, Sepp Blatter, Egidius Braun, den DFB... GENAU!

Der DFB. Beziehungsweise die GEMA. Zwei ganz ähnliche Institutionen. Deutsche Vereinsmeierei, starre, steinalte Regularien, und mit derselben bizarren Selbstverständlichkeit, mit der Egidius Braun den deutschen Fußball weltweit repräsentiert (der eigentlich ganz anders aussieht, wenn man sich Fans, Spieler oder Ran anschaut), thront Prof. Prof. Dr. Dr. Dr. Reinhard Kreile über dem deutschen Musikschaffen. Beide Institutionen sehen ihren Auftrag vor allem darin, den Wohlstand ihrer Mitglieder zu mehren. Dazu haben sie allerdings unterschiedliche Strategien gewählt: Der DFB betreibt Marketing, die GEMA ist da altmodischer und ergeht sich in Juristerei. Die ehrwürdigsten und respektabelsten Anwälte agieren für die GEMA, doch im Zeitalter digitaler Musikbearbeitung wird ihr Job immer härter.

Wer sich zum Beispiel die Urheberhinweise der Single Crazy Music von Whirlpool Productions angesehen hat, wird erstaunt Bryan Ferry als Komponist und Textdichter entdeckt haben. Doch Roxy Music-Fans dürfen sich wieder hinlegen: Es handelt sich mitnichten um einen bislang unbekannten Ferry-Song, die drei Whirlpooler hatten lediglich das E-Piano-Intro des Roxy-Hits „Edition Of You“ gesampelt. Das amtliche Procedere schreibt vor, ein Sample „freizufragen“, d.h. man handelt mit dem Urheber eine Beteiligung aus. Ferry blieb in diesem Fall knallhart: 100 Prozent oder keine Freigabe. Wäre der Titel nicht bereits fertig produziert gewesen, hätten die Whirlpooler den kurzen Part einfach nachspielen können, und Ferry hätte womöglich nichts bekommen.

So erging es seinerzeit J.J. Cale: Als die Sängerin Asha Puthli 1974 seinen Song „Right Down Here“ coverte, wurde ihm ein neues Instrumentalintro hinzugefügt. Dieses Intro wiederum verwendeten die Fantastischen 4 1992 als Hook-Line für ihren Titel „Die da“. Da sie allerdings nicht gesampelt hatten, sondern die prägnante Melodie nachgespielt hatten und auf Cales eigene Version von „Right Down Here“ verweisen konnten, die diesen Part nicht enthielt, hatten sie auf einmal das Urheberrecht an einer Melodie, die sich ein unbekannter Genius fast 20 Jahre vorher hatte einfallen lassen.

Denn die Arbeit von Arran-geuren oder Musikern, die im Studio an Fremdkompositionen herumdoktern, ist urheberrechtlich nur unzureichend geregelt. Jeder darf einen Song nachspielen, ohne um Erlaubnis zu bitten, aber eine urheberrechtlich wirksame „Bearbeitung“ muß der Urheber absegnen. Da das aber auch bedeutet, daß er auf einen Teil seiner Tantiemen verzichten müßte, lehnt er gemeinhin ab, was dazu führt, daß das Eigentum von Arrangeuren im rechtsfreien Raum schwebt, den Beutezügen gewissenloser Ideen-Piraten ungeschützt ausgesetzt. Ein evil plot, den auch Sepp Blatter nicht diabulöser hätte ersinnen können.