Erotisch bleiben!

■ Traurig, aber wahr: Frank Baumbauer wird seinen Vertrag als Intendant des Deutschen Schauspielhauses nicht über das Jahr 2000 hinaus verlängern

Es ist das größte deutsche Theater und hat vermutlich den höchsten Verschleiß an Intendanten: Seit Kriegsende waren 16 Männer Chef im Deutschen Schauspielhaus, allein seit 1980 waren es sieben. Frank Baumbauer übernahm das Haus zur Spielzeit 1993/94 und machte es mit einem so anspruchsvollen wie grandiosen Programm zum erfolgreichsten Theater Deutschlands – Dreimal schon wählten es Kritiker zum besten Theater des Jahres. Gestern teilte der 54jährige Kultursenatorin Christina Weiss mit, das 1300-Plätze-Haus, welches diese Spielzeit eine stattliche Auslastung von 70 Prozent verzeichnen kann, im Jahr 2000 zu verlassen.

taz hamburg: Herr Baumbauer, was veranlaßte Sie zu dieser Entscheidung?

Frank Baumbauer: Die kritische Überlegung, wie lange Spannungsbögen halten. Ich sage das nicht aus diplomatischen Gründen, sondern ich sage das persönlich und ehrlich: Nach der übernächsten Spielzeit, was die 100. des Hauses sein wird, wechselt auch das Jahrhundert, und dann wäre es gut für einen Schnitt. Ich war dann sieben Jahre hier, womit ich ja fast schon zu den Rekordhaltern der Nachkriegszeit gehöre. Nach sieben erfolgreichen Jahren ist der Wechsel eine gute und eine dem Haus angemessene Entscheidung.

Können Spannungsbögen denn nur durch personelle bzw. Ortswechsel gehalten werden?

Das ist schwierig. Verstehen Sie, dieses Haus hat einen hohen Brennwert. Eine große Hitze, die man nicht ökonomisieren kann. Das ist eine praktische Erfahrung: Auf der großen Bühne zumindest ist alles eine große Anstrengung. Daß es manchmal so leicht daherkommt, ist in Wirklichkeit ein großes Kunststück der Künstler und Techniker. Die Verbrennung hier ist eine höhere als an einem Haus, wo ich – ich sag das mal vorsichtig – auch mal was kammerspielmäßigeres machen könnte, dosieren könnte. Ich habe Sorge mir selbst gegenüber, daß ich von einer phantasievollen Zeit unmerklich in einen Alltag schlittere, mit kühlem Kopf und Logistik versuche, weiterzumachen und gar nicht merke, daß die Erotik schon längst verflogen ist.

Mit den Sparbeschlüssen der Stadt hat ihre Entscheidung also nichts zu tun?

Gar nichts. Das war eher einer der Gründe, die mich im Ring gehalten haben: Man kann eher aus einer anerkannten Position heraus Einfluß nehmen und nicht dadurch, daß man sich verdünnisiert.

Fühlen Sie nicht eine gewisse verantwortliche Angst um die Zukunft des intendantengeschüttelten Hauses?

Ich möchte das Theater gerne ziemlich klasse übergeben. Aber ein Schnitt ist ein Schnitt. Was nach mir kommt, damit habe ich erst mal nichts zu tun.

Was bedeuten Ihnen die Jahre in Hamburg, die Theater Heute als „Ära Baumbauer – das Goldene Zeitalter“ titulierte?

Ich sitze hier im schönsten Theater Deutschlands und es ist mir gelungen, es in eine künstlerisch und wirtschaftlich erfolgreiche Phase zu führen. Das macht mich erst mal sehr reich. Ich würde sagen: Klemmen wir die nächsten zwei Jahre noch dran – vielleicht verderben sie das Bild wieder, vielleicht stärken sie es aber auch. Den Nachruf will ich jetzt noch nicht haben.

Haben Sie schon konkrete Zukunftspläne?

Meine konkreten Pläne sind die nächsten zwei Jahre Hamburg.

Und was ist mit Wien, Salzburg, München?

Das sind alles drei besetzte Häuser – darüber rede ich nicht. Flirtphasen gibt es immer, und natürlich gibt es auch immer wieder charmante Nachfragen. Die werden natürlich jetzt zunehmen. Deswegen habe ich die Entscheidung auch kurz vor meinem Urlaub bekanntgegeben – ab nächster Woche bin ich erst mal verschwunden.

Im Groben ist also noch alles offen. Aber eine neue Intendanz soll es wohl doch werden, oder haben Sie nun etwas ganz anderes vor, Opern inszenieren oder ähnliches?

Ich würde ja gerne Sportreporter werden, aber das glaubt mir sowieso keiner.

Interview: Christiane Kühl