Neue LehrerInnen braucht das Land

■ Zentralelternbeirat sieht Unterrichtsversorgung gefährdet / Die Forderung: mindestens 100 neue LehrerInnen für das kommende Schuljahr / Behörde spricht von „Katastrophengeschrei“

Der Zentralelternbeirat (ZEB) Bremens hat gestern die Sparbeschlüsse der Bildungsbehörde hart kritisiert. „Eine ausreichende Unterrichtsversorgung für Bremen ist im kommenden Schuljahr nicht gesichert“, sagte der ZEB-Vorsitzende Horst Jäger. Er fordert Neueinstellungen von LehrerInnen in „dreistelliger Höhe“.

Die Eltern stoßen sich besonders an der neuen Zuweisung der LehrerInnenstunden über die Anzahl der Schüler. Die anderthalbfache Zählung von ausländischen Jugendlichen wurde gestrichen. In einigen Schulen mit bis zu 20 Prozent Ausländern bedeutet dies scharfe Einschnitte, obwohl gerade die Zusatzstunden für Integrationsunterricht vorbehalten waren. „Dies wurde jetzt zur Deckung der Grundversorgung umgewidmet“, bemängelt ZEB-Vorstand Jäger. „Zudem fallen künftig Differenzierungs- und Teilungsstunden weg, um die Unterrichtsversorgung überhaupt noch zu gewährleisten.“

Diese Stunden beziehen sich laut Jäger auf Unterricht wie Werken, Musik, Physik oder Chemie. Dabei wurden die Klassen bisher geteilt, da Räume oder technische Einrichtungen nicht für Klassenstärken von 27 Schülern vorgesehen waren. Dazu sagt Direktor Hartmut Böhme vom Gymnasium Obervieland: „Diese Räume sind bei uns auf maximal 20 Schüler ausgelegt. Ich weiß nicht, wie wir so guten Unterricht anbieten sollen.“ Zudem halten es mehrere Direktoren für „lebensgefährlich“, etwa mit 30er-Klassen Experimente in Chemie durchzuführen, „da die Aufsicht kaum zu gewährleisten ist“.

Für Direktor Böhme „werden die Kürzungen jetzt bis hinunter zu den Schülern spürbar“. „Vor allem für die Mittelstufe bekommen wir wesentlich weniger Lehrerstunden zugewiesen. Das bedeutet eine massive Mehrbelastung für die Kollegen. Die Stimmung bei uns ist sehr schlecht.“ Dem schließt sich auch der stellvertretende Leiter vom vom Schulzentrum Butjadinger Straße, Wolfgang Berg, an. Er kämpft vor allem mit dem Problem, daß er in Woltmershausen „ziemlich auswärts liegt“. Damit kommt ein Schüleraustausch, um die optimale Klassengröße von 27 zu erreichen, nicht in Frage. Sind die Klassen aber wiederum kleiner, werden nach dem neuen System auch weniger Lehrerstunden zugewiesen. „Damit wird unser Unterricht kaum noch planbar.“

Der zuständige Abteilungsleiter in der Bildungsbehörde, Gernot Lückert, bezeichnet die Kritik dagegen als „Katastrophengeschrei“. Man müsse zunächst Überhang in den Sekundarstufen II abbauen. Die würden dann in der Sekundarstufe I eingesetzt, Lehrer von dort in Grundschulen versetzt. Mit diesem Ausgleich soll die Unterversorgung ausgeglichen werden, verspricht Lückert.

Zudem verweist er auf die neuen Stellen. „Sonderbedarfstöpfe haben wir zudem reduziert, um keine Dreifach-Förderung wie bisher zu haben. Da wurden ausländische Kinder anderthalbfach berechnet und zusätzlich gab es den Sozialstrukturfonds. Jetzt gib es nur noch Letzteren.“ Allerdings gibt Lückert zu, daß Teile des Sonderbedarfs gestrichen werden mußten, um ganz einfach die Grundversorgung zu sichern. Dennoch versteht Lückert die „Unruhe unter den Lehrern. Das Personalkarussell dreht sich zur Zeit heftig.“ Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hält dies für überflüssig. Sprecherin Yasmina Wöbbekind: „Es muß endlich akzeptiert werden, daß im Bildungsbereich nicht weiter gekürzt werden kann.“ Jens Tittmann