Laute Tage mit Berti
: Matthäus muß nicht

■ Vor dem heutigen Spiel gegen den Iran verteilt Quelle „Olaf“ Autogrammkarten

Nacht ist's über Mas d'Artigny, ewige Nacht. Und Stürme brausen für und für. Die liebe Sonne wollte gestern überhaupt nicht über der Cote d'Azur scheinen. Die Ruhe ist hin. Endlich, wie einige treulose Seelen hier finden. Diese kleine Kolumne natürlich nicht. Sie hat sich freilich nach einer mehrstündigen Krisenkolumnensitzung heute nacht leider entschließen müssen, den Namen zumindest einmal vorläufig zu ändern (siehe oben), nachdem sich ihr vermeintlich in sich ruhender Fixstern namens Berti Vogts zuletzt von einer erheblich unwirschen Seite gezeigt hat. Und das war noch gar nichts! Mann kenne ihn nicht, sagte er drohend, wenn er mal „richtig zornig“ sei, „wenn ich tobe“. Warum sein Herz so schwer ist? Nicht bloß wegen der Verbrechen von Lens. Delegation und Team haben gestern vor dem Abflug nach Montpellier noch einmal darauf hingewiesen, daß sie „ab sofort über Fußball“ zu reden wünschen. Auch nicht nur wegen des Ärgers, den die Angst vor einem WM-Rückzug bei dem totalen Fußballer Vogts ausgelöst hat. Es scheint sich um eine veritable Schaffenskrise voller Selbstzweifel zu handeln. Vogts, der in Lens noch einen souveränen Eindruck gemacht hatte, scheint mittlerweile soweit zu sein, daß er Lothar Matthäus gegen den Iran zwar nicht „die Rolle, die eine bestimmte Medienlandschaft sich vorstellt“ gibt, aber doch den Liberoposten.

Ob das bedeutet, daß alle Arbeit und Ideen der letzten Jahre als obsolet zu betrachten sind – wird sich heute abend (21 Uhr, ARD) finden. Vielleicht auch erst ein, zwei Spiele später. Verliert man, ist man fortan jedenfalls raus. Vogts stellt einiges in Frage. Seine Erkenntnis, daß sein überaltertes Team mindestens die beiden 24jährigen Hamann und Jeremies brauche, um ein bißchen Fahrt zu gewinnen. Sein Wissen, daß nichts mehr zu gewinnen ist mit einem Libero, der die sachten, aber komplizierten Bewegungen vor der Abwehr nicht aus dem Effeff beherrscht.

*Was nun genau in der berühmten „Krisen-Mannschaftssitzung“ passiert ist, in welcher sich das deutsche Team nicht über Trainerrücktritte, Ausschreitungen und anderes unterhielt, ist leicht zu ahnen, aber schwer zu beweisen. „Einzelheiten“ wollte gestern die dazu befragte Quelle „Olaf“ nicht nennen. Wäre es für die Öffentlichkeit bestimmt, sagte die Quelle, „wärt ihr ja dabeigewesen“. Aber keine Sorge: „So weit wird es auch noch kommen.“ Ihr, das sind übrigens die Medienschaffenden.

Für die (“euch“) hatte die Quelle dann zwar keine Neuigkeiten über die Positionierung der Silbe „Ex“ vor ihrer bisherigen Stellenbezeichnung Libero und damit jener im DFB-Team vor, hinter, neben, über oder unter Matthäus mitgebracht. Sehr wohl aber eine Bestätigung seiner eindeutigen Position (“Jeder von euch weiß, wo meine Stärke liegt“) und zum Trost „eine Überraschung“. Postkarten nämlich, die er durch die stickige Turnhallenluft wedelte. „Die könnt ihr mitnehmen“, sagt er, „die sind auch unterschrieben.“

Vielen Dank, Quelle Olaf, du heiterer Stern eines tristen Turnhallenlebens. Vielleicht nur dieser klitzekleine Verbesserungsvorschlag: Nicht unterschreiben, dafür frankieren. Dann nämlich sind sie auch morgen nach einem Ausscheiden noch etwas wert. pu