"Das ist das Papier nicht wert"

■ Warum konnte ein verquaster Gesetzentwurf Flüchtlinge ängstigen und Parlamentarier verwirren? Peter Caesar (FDP), Justizminister von Rheinland-Pfalz, über das Asylbewerberleistungsgesetz

taz: Rheinland-Pfalz wollte die Sozialhilfe für geduldete Flüchtlinge streichen und ist damit im Bundestag gescheitert. Werden Sie im Bundesrat daran festhalten?

Peter Caesar: Nein. Wir werden dem jetzt gefundenen Kompromiß im Bundestag zustimmen, obwohl er praktisch nichts bringt und im Klartext kaum das Papier wert ist, auf das er gedruckt ist. Das ist Wahlkampfmunition, inbesondere für den bayerischen Wahlkampf. Irgendeine Mißbrauchsbekämpfung ist damit nicht möglich, denn wie will ich nachweisen, daß jemand eingereist ist, um Leistungen zu erhalten? Weil der Nachweis nie geführt werden kann, wird dadurch niemandem ein Leid geschehen. Es wird von dem Gesetz kaum jemand betroffen sein.

Das heißt, Sie geben Herrn Seehofer recht, der ja gesagt hat, der Gesetzentwurf des Bundesrates ist von vornherein schlampig formuliert worden? Auch SPD-Abgeordnete meinen, der Entwurf sei „Murks“ gewesen.

Er ist ja auch ständig verändert worden, erst im Bundesrat und dann nochmals im Bundestag. Er ist immer weiter vermurkst worden. Was nachher vorlag, war so unpraktikabel und, in der verschärften Fassung, so inhuman, daß ich diese breite Protestbewegung durchaus nachvollziehen kann.

Warum haben Sie nicht früher gesagt: Wir haben Mist gebaut und müssen das zurückziehen?

Wir haben's nicht mehr in der Zuständigkeit gehabt. Nachdem der Entwurf im Bundesrat eingebracht war, war es im Grunde genommen ein Selbstläufer. Das ist so wie bei dem jetzigen Kompromiß. Den würde ich am liebsten ablehnen, weil es nicht viel bringt. Ich werde es aber nicht ablehnen, weil jetzt alle – SPD, CDU, FDP – sagen, gut, jetzt machen wir's halt so, und deswegen wird das jetzt so durchlaufen.

Ein verblüffendes Phänomen: Da sorgt ein Gesetzentwurf monatelang unter Flüchtlingen für Angst und Verunsicherung, und plötzlich erklärt sich niemand dafür verantwortlich. Ihr Bundesland hat die Verschärfung gefordert. Ist nicht die Zeit gekommen einzugestehen, daß Sie einen Fehler gemacht haben?

Ich kann nicht sagen, der Innenminister hat einen Fehler gemacht. Das wäre unkollegial, das mache ich nicht. Aber daß manches verunglückt war, räume ich ein.

Der Kompromißentwurf hat zwar den Kreis der Betroffenen reduziert. Aber unverändert wird die Streichung von Sozialleistungen genutzt, um Flüchtlinge unter Druck zu setzen.

Nein, die Intention ist nicht, Psychoterror unter hier lebenden Asylbewerbern auszulösen. Betroffen sind Menschen, die Mißbrauch betreiben. Für diesen Kreis ist der Sozialstaat nicht gemacht.

Wenn Sie aber selber sagen, das Gesetz eignet sich nicht zur Mißbrauchsbekämpfung, müßten Sie es dann nicht doch noch stoppen? Im Bundesrat könnten Sie das.

Wir sind knapp drei Monate vor der Bundestagswahl. Da ist es Unfug, damit jetzt noch in den Vermittlungsausschuß zu gehen.

Ist das nicht das Eingeständnis vom Stillstand der Politik?

Das Gesetz ist so entschärft, daß es keinen Schaden mehr anrichten kann. Interview: Patrik Schwarz