Rigorose Abschiebungen

■ Bayern schiebt erneut knapp 30 Kosovo-Albaner nach Jugoslawien ab

Nürnberg (taz) – In Bayern läuft die Abschiebungsmaschinerie auf Hochtouren. Abgeschoben werden türkische Kinder, eine von ihrem Mann schwer mißhandelte Kurdin, vietnamesische Familien und erneut Kosovo-Albaner nach Jugoslawien. Was Michael Ziegler, Sprecher des Innenministeriums, einen „ganz normalen, konsequenten Vollzug der Gesetze“ nennt, bringt Michael Stenger, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrates in München, mit den bevorstehenden Wahlen in Verbindung: „Das ist die letzte Runde, um das rechte und rechtsextreme Wählerpotential an die CSU zu binden.“

In den vergangenen Wochen hat eine Reihe von Abschiebungen im Freistaat Bayern Wellen der Empörung ausgelöst. So klingelten um vier Uhr morgens bei der Familie Bektas in Fürth Polizisten. Sie holten die vier Kinder zwischen zehn und achtzehn Jahren aus ihren Betten, transportierten sie vor den Augen des völlig überraschten Vaters zum Flughafen und schoben sie nach Istanbul ab. Dort wohnt zwar die leibliche Mutter, bundesdeutsche Gerichte hatten jedoch dem Vater das Sorgerecht zugesprochen. Über den Widerspruch gegen einen Bescheid, der den Kindern den Aufenthalt in Deutschland untersagt, war richterlich noch gar nicht entschieden worden.

In der Nachbarstadt Nürnberg wird die vietnamesische Familie Dao am 30. Juni ausgewiesen. Seit sieben Jahren lebt und arbeitet Vater Van Binh mit Frau und zwei Kindern in Nürnberg. Der Protest der beiden Stadtdekane und des Deutsche Kinderhilfswerks gegen den Bescheid zur „Aufenthaltsbeendigung“ nutzte nichts. Ebenso erging es der kurdischen Familie Zan aus Fürstenfeldbruck. Sie machten den entscheidenden Fehler, die in der sogenannten Härtefallregelung an das Bleiberecht geknüpften Integrationsbedingungen zwei Monate später als gefordert erfüllt zu haben. Unverhohlen räumte Innenstaatssekretär Hermann Regensburger ein, daß eine Aufenthaltsbefugnis für die Zans das Bleiberecht für 40 weitere ausländische Familien bedeutet hätte.

Regensburger war es auch, der bei der 29jährigen geschiedenen Kurdin Tülay 0. aus Kempten als Abschiebungsgrund anführte, daß ihr aufgrund des Martyriums durch ihren einstigen Ehemann schließlich kein „wichtiges Glied“ fehle und auch keine „bleibende Entstellung“ vorläge. Eine „sehr unglückliche Ehe allein“ begründe keinen Härtefall, beschied er der Frau, die von ihrem Mann fast vier Jahre lang schwer mißhandelt und wie eine Sklavin gehalten wurde. Im Petitionsausschuß des Landtags betonten CSU-Vertreter, daß es schließlich darum gehe, die „Schaffung eines neuen Zuwanderungsweges“ zu verhindern.

Die Zuwanderung zu begrenzen, hat sich die CSU auf ihre Fahnen geschrieben, vor allem jetzt im Wahljahr. „Wir haben erstmals 1997 in Bayern netto eine Abwanderung von etwa 20.000 Ausländern erreicht“, frohlockte bereits Innenminister Günther Beckstein.

Dabei macht er vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen nicht halt. Erst gestern startete gegen 15 Uhr eine jugoslawische Maschine mit knapp 30 Kosovo-Albanern an Bord nach Belgrad. „Ausschließlich Straftäter“ würden da abgeschoben, betonte Ministeriumssprecher Ziegler. „Wer in dieser Situation dorthin abschiebt, verläßt, auch wenn es Straftäter sind, den Boden der Flüchtlingskonvention“, widerspricht Michael Stenger vom Flüchtlingsrat. „Außen- und Verteidigungsminister lassen die Nato fliegen und der bayerische Innenminister schiebt ab“, empört er sich. Bernd Siegler