Sittenwidrig ins nächste Jahrtausend

■ Ohne Debatte stimmte gestern die Koalition gegen eine Besserstellung von Prostituierten

Bonn (taz) – Prostitution bleibt mindestens bis zur Jahrtausendwende „sittenwidrig“. Dies beschlossen gestern in der letzten Sitzung des Bundestages vor den Wahlen die Abgeordneten von CDU/CSU und FDP. Ohne Debatte stimmten sie die unterschiedlichen Anträge von SPD und Grünen nieder, die auf eine verbesserte zivilrechtliche Stellung der anschaffenden Frauen abzielten. „Schade“, meinte die grüne Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk. Aber die Christdemokraten hätten wohl Angst vor der Frage gehabt, ob sie nichts Besseres zu tun hätten, als sich für Prostituierte einzusetzen.

Über die Abschaffung der im Jahr 1901 festgelegten „Sittenwidrigkeit“ war zuletzt während einer Expertenanhörung des Ausschusses für Familie und Frauen im Januar dieses Jahres öffentlich diskutiert worden. Nach Schätzungen der Polizei gehen in Deutschland 400.000 Frauen der Prostitution nach. Eine Million Männer nehmen ihre Dienstleistungen täglich in Anspruch.

„Zeitweise sah es nach einer Einigung aus“, meinte die Ausschußvorsitzende Edith Niehuis (SPD). Auch in den Reihen von CDU/ CSU und FDP hätten viele Abgeordnete mit dem Entwurf der SPD sympathisiert, wonach das „Entgelt für sexuelle Dienstleistungen einklagbar“ sein solle. „Leider“, so Niehuis, „hatte die CDU-Abgeordnete Falk es nicht im Kreuz, dieses in ihrer Fraktion mehrheitsfähig zu machen“.

Die CDU-Abgeordnete Ilse Falk räumte trotz „gutwilliger Behandlung innerhalb der Fraktion mangelnde politische Priorität“ für das Thema ein. „Ich war zunächst sehr optimistisch“, erklärte sie. Aber im Laufe der Anhörungen habe sich herausgestellt, daß die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses juristisch noch nicht ausgereift sei. „Es kann zum Beispiel nicht sein, daß die Erbringung einer sexuellen Leistung nicht widerrufbar ist“, so Falk. Es sei eine Frage der Menschenwürde, daß eine Prostituierte nicht zu allem gezwungen werden könne.

Damit die Anträge nicht verfallen, wollte die SPD-Abgeordnete Niehuis die Sache „wenigstens ordentlich abschließen“: „Ich finde es ehrlicher, wenn CDU und FDP öffentlich nein sagen müssen“, erklärte sie. Astrid Prange