Muslime zum Dialog im Rathaus

■ Bei der ersten öffentlichen Islam-Debatte mit Innensenator Borttscheller und Bürgermeister Scherf schlug das Applausometer zugunsten Scherfs aus

Wer es nicht besser weiß, könnte glauben, der Bremer Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) und Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) seien endlich angetreten, eine innenpolitische Aufgabe strategisch geschickt zu lösen: Die Aufgabe, den rund 3.000 Bremer Muslimen auch einen offiziellen Platz in der Bremer Politik einzuräumen – und damit zugleich deren befürchteter religiöser Radikalisierung vorzubeugen.

Hüben der Innensenator, quasi beständiger Mahner vor der Gefahr durch islamistische Extremisten, die „eine Parallelgesellschaft“ errichten wollten – und deren Vertreter er, wie auch der Verfassungsschutz, in der Gröpelinger Fatih-Moschee ein- und ausgehen sieht. Drüben Scherf, der Kirchensenator und Bürgermeister; als solcher zugleich väterlicher Umarmer einer Minderheit, die erst mit der dritten Generation in Deutschland langsam beginnt, ihre bürgerlichen Rechte wahrzunehmen. Seine Geste, die Vertreter der muslimischen Gemeinden Bremens zum Ende des Fastenmonats Ramadan im Rathaus zum empfangen, wird von diesen als bislang einzigartig in Deutschland gewürdigt.

Doch das Thema Islam wird heiß gekocht – und zwar nicht erst, seit in Bremens Moscheen kursiert, der Innensenator habe im vergangenen Herbst anläßlich der – bundesweit bislang ebenfalls einzigartigen – Bremer Islamwoche, zu der sich fast alle muslimischen Gruppierungen Bremens zusammengerauft hatten, gewarnt, man solle „den Islamisten keine Plattform bieten.“ Entsprechend voll wurde die Obere Ratshaushalle am Mittwoch bei der Diskussion der Frage: „Der Islam in Bremen – wie gehen wir damit um“.

Kein Stuhl blieb frei, an den Wänden standen gedrängt weitere Deutsche, MigrantInnen, Junge, Alte, Frauen mit und ohne Kopftuch. Viele von ihnen hatten das Rathaus dabei zum ersten Mal in ihrem Leben betreten. Und viele von ihnen waren ganz einig mit dem Direktor des Deutschen Orient-Instituts, Udo Steinbach, die Herausforderung sei, zu klären, „wohin entwickelt sich das Zusammenleben – wenn überhaupt“. Dabei mahnte er, noch könne dies niemand vorhersagen, zumal der Islam sich in jedem Land der Welt unterschiedlich entwickelt habe. Umso wichtiger seien jetzt Dialog und gegenseitige Offenheit. Auch müßten dominierende türkisch-islamische Organisationen „ihre Leute“ endlich in das deutsche Leben entlassen; andererseits müßten die Deutschen beim Thema Islam besser unterscheiden lernen. Dessen Diskreditierung, und die seiner Anhänger, seien wenig hilfreich. Richtig sei dagegen durchaus, daß der Verfassungsschutz die islamistische Gruppierung Milli Görus beobachte. Doch dürfe niemand, der mit Extremisten rede, gleich selbst dazu gestempelt werde. Auch müsse man wissen, dozierte er, „daß es Anspruch der Muslime ist, in einer vollkommenen Gesellschaft zu leben – nach islamischen Gesetzen“. Dies stehe nicht im Widerspruch zum Grundgesetz.

In diesem Spannungsfeld bewegten sich auch die Beiträge der muslimischen Vertreter auf dem Podium, Aydin Findikci (CDU) vom türkischen Zentralverband und Ugur Abdulkerim Sari als Vertreter der Islamischen Föderation und Sprecher der Gröpelinger Fatih-Moschee. Während Findikci warnte, „meine Religion politisch zu instrumentalisieren“, wie dies in Gröpelingen geschehe, gab sich Sari eher als Vertreter weltlicher Muslime, die sich in Deutschland durchaus auch vor radikalen – deutschen – Tendenzen fürchten. „Man muß auch die andere Seite sehen.“ Die Fatih-Moschee habe sich, so erklärte er, nie der Öffentlichkeit verschlossen, sondern den Innensenator mehrfach eingeladen. Wann der denn endlich kommen wolle.

Die Antwort war deutlich. „Bekennen Sie sich, oder trennen Sie sich von Milli Görus“, forderte der. „Integration ist eine Bringschuld“ der Zugezogenen. Eindeutig fiel das Applausbarometer da zugunsten des Bürgermeisters aus, der vor einem solchen „Schwarze-Peter-Spiel“ warnte und den Kollegen aufforderte, „ein politisches Klima für den Dialog zu schaffen.“

„Wir sind bereit“, hieß es seitens der Bremer Muslime. „Sehen Sie, obwohl wir gesellschaftlich in der Minderheit sind, sind wir heute abend hier im Rathaus die Mehrheit.“

Eva Rhode