Schönbohm wird zum Problemfall

■ Abgeordnetenhaus debattiert erstmalig zwei Stunden über Ausfälle von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU). Scharfe Kritik der Opposition: "Dumpfe Parolen vornehm formuliert". Diepgen verteidigt Innensenator zur

Kaum hatte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) gestern seinen Redebeitrag beendet, setzte sich Innensenator Jörg Schönbohm neben seinen Parteichef auf die Regierungsbank. Doch der Regierende lauschte ostentativ einer Stellungnahme der Bündnisgrünen Abgeordneten Ursula Hertel-Lenz. Während Diepgen in der Debatte seinen Senator verteidigte, fand das von Schönbohm gesuchte Gespräch nicht statt.

Der Innensenator ist zum Dauerthema parlamentarischer Auseinandersetzungen avanciert. Gestern debattierten die Abgeordneten im Preußischen Landtag in einer aktuellen Stunde erneut über seine umstrittenen Äußerungen zur Ausländerpolitik, zur Qualifikation von StadträtInnen und das Hissen einer Regenbogenfahne sowie über seine Vorwürfe an die SPD, in Berlin zum Bündnis mit der PDS bereitzustehen.

„Der Innensenator macht seinen Job ordentlich, dafür verdient er Anerkennung“, lobte Diepgen Jörg Schönbohm. Die Debatte, die Schönbohm angestoßen habe, in dem er Spracherwerb als Voraussetzung von Sozialhilfe gefordert hatte, sei notwendig und müsse „intellektuell redlich“ geführt werden. „In manchen Gegenden Berlins haben wir nämlich keineswegs mulitkulti, sondern monokulti, also Gebiete, die sich von der deutschen Kultur, Lebens- und Arbeitsverhältnisse ziemlich einförmig abschotten“, so Diepgen. Dagegen müsse man konsequent vorgehen. Berlin aber „ist und bleibt eine weltoffene, internationale Stadt“. Die Debatte um Jörg Schönbohm beruhe dagegen auf „bewußten Mißverständnissen“, die ihn wegen der „Verletzungsbereitschaft“ beunruhige. Schärfer als auf die Vorwürfe gegen Jörg Schönbohm reagierte Diepgen gestern auf Äußerungen von SPD- Innenpolitiker Hans-Georg Lorenz. „Massiv muß ich zurückweisen, daß es nationalistische und rechtsradikale Tendenzen in der CDU gebe“, empörte er sich.

Lorenz hatte zuvor in der Debatte an Schönbohm appelliert: „Halten Sie ihre Partei frei von undemokratischen und verfassungsfeindlichen Tendenzen. Und das beste wäre, wenn Sie gleich bei sich selbst anfingen.“ Er warnte den Innensenator vor weiteren Fehltritten, „damit Sie für uns nicht noch ein unlösbares Problem werden“. Im Gegensatz zur Opposition habe die SPD jedoch nicht vor, den Innensenator zu demontieren, sondern ihr ginge es um die sachliche Auseinandersetzung. Von der Opposition kamen gestern sehr scharfe Töne gegen Jörg Schönbohm. Zur Begründung der Aktuellen Stunde, die die PDS beantragt hatte, sagte der Fraktionsvorsitzende Harald Wolf: „Der verbale Amoklauf des Innensenators in den letzten Wochen geht weit über das auch im Wahlkampf akzeptable Maß hinaus.“ Schönbohms Worte, „daß die deutsche Lebenswelt Vorrang habe“ sei lediglich die vornehmere Variante der dumpfen Parole „Deutschland den Deutschen“. Wolf forderte den Regierenden Bürgermeister auf, ein deutliches Wort zu sprechen. Die Bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast warf dem Innensenator vor: „Er ist nicht nur der Mann für den rechten Rand der Stadt, sondern er vergrößert ihn mit seiner Art auch noch.“ Schönbohm heize die Rufe „Ausländer raus“ noch an. An die Adresse von Eberhard Diepgen sagte auch Künast: „Beziehen Sie Position, rügen Sie diesen Innensenator.“ Künast forderte vom Regierenden Bürgermeister jedoch auch disziplinarische Maßnahmen gegen Schönbohms Staatssekretär Kuno Böse. Dieser hatte beklagt, daß West-Berlin vor dem Mauerfall „der Mülleimer der Republik“ gewesen sei. „Niemand, der nach dem Mauerbau, als 1,5 Millionen Bürger Berlin den Rücken kehrten, in die Stadt gekommen ist, hat es nötig, sich von dieser Figur als Müll bezeichnen zu lassen“, so Künast. Barbara Junge