Nur Nelson Mandela spendet Trost

In Südafrika sind Enttäuschung und Entsetzen über das unerwartete Aus von „Bafana Bafana“ bei der Fußball-WM groß. Schuld hat der „Weiße Zauberer“  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

„Wenn er nur endlich Doc aufs Feld ließe“, schreit Cynthia Moropeng. „Wenn sie nur endlich den Ball ins Tor bekommen würden“, schreit zur gleichen Zeit ein Mann hinter ihr. „Wenn wir jetzt noch zwei Tore schießen, haben wir's geschafft“, fällt ein anderer ein. „Wenn, ja wenn“ heißt das Motto dieses winterlichen Spätnachmittags in Südafrika. In einer Kneipe in einem Johannesburger Vorort läuft, wie allerorten, der Fernseher heiß, und die Stimmung ist auf dem Siedepunkt. Schließlich geht es um alles oder nichts.

Die meisten Behörden und Arbeitgeber haben früheren Dienstschluß gewährt, selbst Gerichtsverfahren wurden vorzeitig beendet, damit die Südafrikaner den „D-Day“ von „Bafana Bafana“ (zu deutsch etwa „Unsere Jungs“) im Fernsehen verfolgen können. Daß ihre Chancen nicht groß sind, den Einzug ins Achtelfinale zu schaffen, weiß jedes Kind. Nur wenn Südafrika die Saudis mit drei Toren schlägt und Frankreich zur gleichen Zeit Dänemark, dann wird alles gut.

Der Anfang ist vielversprechend, das erste Tor fällt nach 18 Minuten. Nur noch zwei Tore. Doch es hilft alles nichts. Schlechtes, unkonzentriertes Spiel, überflüssige Fouls und zweifelhafte Entscheidungen des Schiedsrichters führen in die Katastrophe. Erst kurz vor dem Abpfiff gelingt Bartlett der Ausgleich zum 2:2. „Wenn wir jetzt noch in drei Minuten vier Tore schießen...“ Aus, vorbei. Der Traum von einem glänzenden WM-Debüt ist ausgeträumt. Dabei hat so mancher schon vom Einzug ins Finale fabuliert.

Daß das von vornherein unrealistisch war, sagte man in den letzten Wochen lieber nicht laut. Fußball ist vor allem der Sport der schwarzen Bevölkerungsmehrheit, und jetzt wollte man der Welt nach jahrzehntelanger Ächtung endlich zeigen, wer die wahren Riesen auf dem Kontinent sind. Nigeria, Kamerun? Nicht schlecht, aber wir sind die Größten. Schwache Verteidigung, ungenaue Pässe, Spiel zu langsam? Nein, wir doch nicht.

Noch ehe alles zu Ende war, war auch schon ein Schuldiger gefunden: Keine Frage, der Mann, den man noch vor wenigen Wochen als „Weißen Zauberer“ gefeiert hatte, hat alles vermasselt. Gegen Philippe Troussier, den Franzosen, wurde seit der ersten Niederlage gegen Frankreich eine Propagandaschlacht in den Zeitungen geschlagen, die einen weniger sturen Menschen vermutlich zum Aufgeben bewogen hätte. Schon um sein endgültiges Engagement für die WM hatte es häßlichen Streit mit rassistischem Beigeschmack gegeben. Nach der letzten Afrika-Meisterschaft, in der der einheimische Interimstrainer Jomo Sono Südafrika auf Platz zwei bringen konnte, war die Mannschaft von Troussiers Fähigkeiten plötzlich nicht mehr überzeugt. Am Ende setzte sich der Fußballverband durch und brockte dem Team damit den dritten Trainer innerhalb weniger Monate ein.

Der war dann an allem schuld. Seine Trainingsmethoden wurden als unafrikanisch verpönt, im Trainingslager in Frankreich gehe es zu wie in der Hölle oder gar in einem Konzentrationslager, geiferten Spieler und Fans zu Hause. Troussier allerdings ließ sich nicht beeindrucken und las seinerseits dem Team gehörig die Leviten. „Es gibt höchstens fünf Spieler in der Mannschaft, die keinen Aufpasser oder Polizisten brauchen“, schimpfte er und beklagte die Disziplinlosigkeit seiner Jungs, die die WM mit einem Ferienaufenthalt verwechseln würden.

Wenige Tage vor dem Aus riß Troussier schließlich die Geduld, und er schickte zwei Spieler nach Hause. Deren Reuetränen bei der Ankunft milderten die Spannungen insofern, als seither die Tonlage etwas gemäßigter ist. Am Mittwoch abend sagte Troussier aber noch einmal unmißverständlich seine Meinung: „Wir haben Talent, aber wenn es keinen Willen, keinen Mut, keinen Esprit gibt, kann man nicht weit kommen.“ Zurück nach Südafrika wird der Zauberer nicht gehen.

Dort war die Enttäuschung groß, am Tag nach dem D-Day aber nahm das Leben seinen gewohnten Gang. Krawalle wie in Kamerun nach dessen Ausscheiden blieben aus, und erste Mutige wagten sogar die Frage, ob nicht vielleicht auch der Fußballverband einen Teil der Schuld trage. Versöhnliche Worte indessen fand bislang nur einer. „Es gibt gute Gründe für die Südafrikaner, stolz auf ihre Mannschaft zu sein“, sagte Fußballfan Nelson Mandela. „Das Talent, das Bafana Bafana gezeigt hat, beweist, daß wir gegen jedes Team der Welt antreten können.“

Saudi-Arabien: Al-Deayea – Amin, Zubromawi, Sulimani – Al-Jahni, Khamis Al-Owairan, Al-Temiyat, Al-Thyniyan (81. Al-Harbi), Saleh – Al-Mehalel (65. Al-Shahrani), Al-Jaber

Zuschauer: 25.000; Tore: 1:0 Bartlett (18.), 1:1 Al-Jaber (45./Foulelfmeter), 1:2 Al-Thyniyan (74./Foulelfmeter), 2:2 Bartlett (90./ Foulelfmeter)

Südafrika: Vonk – Jackson (46. Buckley), Issa, Fish – Mkhalele, Radebe, Moshoeu, Fortune (67. Khumalo), Nyathi – Bartlett, McCarthy (46. Sikhosana)